Die Toten Vom Karst
gesprochen. Erzählen Sie mir nichts, sie wohnten nicht einmal mehr zusammen. Sie wollen mich reinlegen. Aber das schaffen Sie nicht, Sie verdammter …«
Laurenti hob eine Hand. »Sagen Sie’s ruhig! Los! Es macht mir nichts aus, wenn Sie mich beleidigen! Sie haben wesentlich größere Probleme.« Plötzlich schoß ihm die letzte Äußerung des Fischers durch den Kopf. »Sie werden schon reden. Das schwöre ich Ihnen!« Laurenti drückte die Zigarette aus und setzte sich. »Was meinten Sie damit, daß Marasi nicht mit seiner Frau redete?«
»Genau das, was ich sagte. Er hat sie vor langem verlassen. Er war ein Schwein. Er hat sich die Wohnung über ihr genommen und nicht mehr mit ihr geredet. Er hat sich nicht einmal scheiden lassen. Bruna hat das nie verkraftet. Und Sie wollen mir erzählen, daß es anders war?«
»Warten Sie«, sagte Laurenti.
Er ging zu Marietta ins Sekretariat. Sie wich zurück, als er ihr ins Ohr flüstern wollte, und erst dann verstand sie, daß es kein Versöhnungversuch war. »Wo sind die Adressen von Ugo Marasi und Bruna Saglietti?«
Sie kramte in ihren Unterlagen und zog zwei Blätter heraus. »Hier, warum?«
Er fuhr mit dem Finger über die Angaben und sah, daß bei Bruna im Feld der Stockwerksangabe eine römische eins und bei Ugo eine zwei stand. Er faßte sich an die Stirn. »Deshalb. Jetzt verstehe ich alles. Aber das konnte nicht auffallen!«
»Was?« fragte Marietta, doch Laurenti schloß schon wieder die Tür hinter sich.
Ganz ruhig setzte er sich Mario gegenüber, schaltete das Tonband mit einem hörbaren Tastendruck wieder ein und nahm befriedigt zur Kenntnis, wie Marios Augen dem Klacken folgten. Der Mann war von dieser Situation immer noch beeindruckt.
»Wir werden Ihre Aussage überprüfen.« Sein Ton war versöhnlich. »Bruna Saglietti sagte aus, daß Ugo Marasi sein Schweigen nach dem Tod Giuliano Scropettis gebrochen habe.«
»Unmöglich«, sagte Mario. »Sie kannten Ugo nicht. Haben Sie eigentlich einen Haftbefehl?«
»Den brauche ich nicht. Was haben Sie mit Gubian da draußen gemacht?«
»Ich sagte Ihnen schon einmal, daß er nicht da war. Würden Sie rausfahren, wenn man Ihren Sohn umgebracht hat?«
»Sie können gehen«, sagte Laurenti abrupt. Er mußte das Verhör sofort abbrechen, bevor ein Gespräch zustande kam. Seine Spekulationen taugten nur, solange der Fischer überrumpelt war. Er durfte den Überraschungseffekt nicht zerstören, der Mario noch unübersehbar in den Knochen steckte. Laurenti schaltete das Band ab. Doch der Mann stand noch immer nicht auf.
»Gehen Sie!« herrschte Laurenti ihn an und riß die Tür auf. »Los. Verschwinden Sie!«
»Was war denn da los?« Marietta konnte ihre Neugier nicht im Zaum halten.
Laurenti lehnte tief in seinem Stuhl, hatte die Füße auf dem Schreibtisch, trommelte mit einer ungerauchten Zigarette auf die Tischplatte und schaute zum Fenster hinaus.
»Ich weiß nicht, wie man so leben kann«, sagte er. »Wenn das wahr ist, was dieser Fischer sagte, dann ist es furchtbar. Zwei Menschen, in einem Haus, in zwei verschiedenen Stockwerken, verheiratet und nicht geschieden, getrennt, aber nahe. Und haben nichts miteinander zu tun. Da ist es doch besser, man trennt sich gleich und mit Anstand, wenn es nicht mehr klappt, anstatt sich und den anderen zu quälen. Ich muß nachdenken.« Er steckte sich die Zigarette in den Mund, zündete sie aber nicht an.
»Worüber? Würdest du bitte Klartext reden?«
»Steht eigentlich schon jemand vor dem Haus, in dem Bruna Saglietti wohnt?«
»Natürlich!«
»Wer?«
»Eine Streife.«
»Was? Die erkennt doch jeder! Laß sie sofort durch Zivilbeamte ablösen!«
»Sag’s doch gleich«, murrte Marietta und ging in ihr Büro hinüber.
Er nahm die Füße vom Tisch, zündete die Zigarette an und inhalierte tief.
»Ich mache ein paar Schritte. Darüber muß ich nachdenken, wie man so leben kann! Ruf mich sofort an, wenn auch nur das Geringste passiert! Und tippe bitte das Band ab, wenn du dazu kommst.«
Marietta begriff, daß es sinnlos war, ihn weiter zu fragen. Natürlich käme sie dazu, sie hatte ja sonst nichts zu tun, außer dazusitzen und bereit zu sein. Aber diesen leicht abwesenden Gesichtsausdruck ihres Chefs kannte sie gut genug. So war er Gott sei Dank nur, wenn er ganz in die Arbeit vertieft war, die Fährte aufnahm wie ein Kojote, oder wenn er zu Hause Krach hatte. Im Moment galt beides.
»Wann kommst du wieder?« rief sie ihm hinterher.
»Nachher!«
Weitere Kostenlose Bücher