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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Die Verkäufer legten die wenigen Fische, die noch blieben, zusammen und begannen damit, die leeren Kästen zu reinigen. Immer seltener kam jetzt Kundschaft, bald war Ladenschluß. Nicoletta drückte die Taste für die Tagessumme. Der Umsatz war so hoch wie schon lange nicht mehr. Sie nahm die Geldschublade und ging in ihr Büro, um die Kasse zu machen. Sie zählte den Wochenlohn der Verkäufer ab und steckte die Geldscheine in die vorbereiteten Umschläge, die sie ihnen aushändigen würde, wenn sie in ein paar Minuten mit dem Putzen fertig waren und die Rolläden herunterließen.
     
    Gubian stand noch immer wie angewurzelt da. Nur einmal hatte er den Blick von der »Boutique du poisson« zu einem Auto gewechselt, das vor einer halben Stunde direkt vor ihm in der Einfahrt einparkte. Er sah wie der Fahrer ein Mikrofon an einem Spiralkabel vom Armaturenbrett nahm, hineinsprach und gleichzeitig auf Nicolettas Laden schaute, als spräche er über sie. Nach ein paar Minuten stieg der Fahrer aus und lehnte sich an den Wagen. Gubian mußte einen Schritt zur Seite treten, damit der andere ihm die Sicht nicht verbaute.
    Zwei Männer standen nun vor der »Boutique du poisson«, als hätten sie nichts Besseres zu tun. Der Alte verharrte bewegungslos, der andere, Ende Dreißig, trat von einem Bein auf das andere und legte manchmal einen Arm aufs Autodach. Gubian wußte, daß es sich um einen Polizisten handelte. Sie waren überall gleich. Auch in Kroatien konnten sie nicht still stehen, während sie jemanden beobachteten, und nicht einmal die zivilen Gestapo-Beamten im Adriatischen Küstenland waren damals dazu imstande. Gubian hatte es früh gelernt. Und jetzt wußte er, daß die Polizei mit im Spiel war. Darauf könnte er sich einstellen, die käme ihm nicht in die Quere.
     
    Plötzlich wußte Nicoletta was sie zu tun hatte. Sie ahnte, daß weder der Kommissar noch andere Polizisten kämen. Sgubin mußte den Auftrag haben, sie zu überwachen. Doch dafür gab es eine Lösung.
    In aller Ruhe beendete Nicoletta ihre Büroarbeiten, ging gegen fünfzehn Uhr zurück in den Laden und konnte durch eine Ritze des Rolladens sehen, daß Sgubin und Gubian noch immer warteten. Sgubin schaute überall hin, aber nicht zu ihr herüber. Er mußte sich langweilen. Das war ihre Chance. Sie schloß die hintere Ladentür und das Büro ab, setzte sich in ihren Wagen und fuhr aus dem Hof. Nur Gubian irritierte sie. Diesmal drehte er endlich den Kopf und schaute sie an. Nicoletta fuhr schnell die Via XXX Ottobre hinab, bog rechts ab und parkte in der nächsten freien Lücke. Sie ließ den Fiat unverschlossen stehen und rannte in eine Hauseinfahrt. Früher hatte sie im Innenhof einen Parkplatz vor der Werkstatt des Elektrikers. Diese Tür stand tagsüber offen. Nicoletta warf sie hinter sich ins Schloß und wartete im Halbdunkel des Durchgangs. Durch die schmutzigen Fenster sah sie Sgubin vor dem Haus bremsen und zurücksetzen. Er stieg aus und schaute in ihren Wagen. Als er erkannte, daß sie ihn nicht abgeschlossen hatte, ging er zurück und wartete. So hatte sie es geplant. Nicoletta durchquerte den Innenhof und ging auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder hinaus. Den Fiat brauchte sie nicht. Sie ging rasch zurück zur Via XXX Ottobre und sah gerade noch, wie Gubian an ihrem Ende auf die PiazzaSant’ Antonio Nuovo verschwand. Endlich hatte sie die Rolle getauscht. Nicoletta war nicht mehr die Verfolgte.
    Gubian beschloß, in einer Bar eine Kleinigkeit zu essen und sich dann auf den Weg zu machen. Er hatte keine Eile.
     
    *
    Proteo Laurenti spürte einen unbändigen Drang, Ordnung zu machen. Nicht nur das Chaos zu Hause mußte angegangen werden – die Wohnung aufzuräumen könnte ihm vielleicht sogar helfen, diesen ganzen inneren Wirrwarr zu bewältigen. Und es wäre besser, als im Büro herumzusitzen und darauf zu warten, daß irgend etwas passierte – mit der beleidigten Marietta im Vorzimmer, die ihn seinen rüden Ton noch lange würde büßen lassen.
    Als erstes beschloß er, sich die Haare schneiden zu lassen. Er hatte zwar keinen Termin, aber bei Oskar käme er selbst am Samstag zwischendurch dran. Der Salon in der Via del Mercato Vecchio hinter dem ehemaligen Palast des Triestiner Lloyd lag auf dem halben Weg zur Wohnung. Er trat ein, und Oskar, dem man gerne selbst einen guten Friseur, der ihm auch den Schnauzbart trimmte, empfohlen hätte, sagte, er könne warten, wenn er damit zufrieden sei, daß ihm die kleine Gehilfin die

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