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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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nicht mehr, und Laurenti war davon überzeugt, daß Galvano sie vergiftet hatte.
    »Heute früh bin ich hingefallen, Laurenti. Gott sei Dank nichts gebrochen. Aber der Schnee auf den Stufen … Hätte mir vor Jahren ja einen Aufzug bauen lassen können. Du weißt, so ein Sessel auf einer Schiene, der dann im Schneckentempo rauf- und runterfährt und den ganzen Garten ruiniert. Diese Dinger sind leider ebenso deprimierend wie Inkontinenz-Windeln. Sie erinnern einen alleine durch ihre Präsenz daran, daß man gebrechlich zu sein hat. Also was gibt’s?«
    Es war schon immer seine Art, abrupt das Thema zu wechseln. Dank dieser Überraschungangriffe hatte er sich nie wirklich beliebt gemacht, was ihn ohnehin nicht zu interessieren schien. Er stammte aus Boston und war 1945 mit den Alliierten nach Triest gekommen und hängengeblieben. Er heiratete eine dieser typischen blonden Triestinerinnen, die von der Sonne nicht genug bekommen konnten und die erst mit ihm nach Amerika gehen wollte, wenn die Kinder das Abitur gemacht hatten. Dann allerdings blieben die beiden Eltern hier und die Kinder gingen rüber.
    »Probleme, nur Probleme.« Laurenti wußte nicht, wie er anfangen sollte und war glücklich, als die Kellnerin ihm Aufschub gab. Galvano bestellte Ente, Laurenti Rindfleisch mit Pilzen.
    »Weißt du, warum ich beim Chinesen immer nur Ente bestelle«, fragte Galvano, nachdem die Kellnerin verschwunden war.
    »Nein.«
    »Ganz einfach: das ist das einzige Fleisch, bei dem du sicher sein kannst, daß keine Verwandten drin sind.«
    »Warum?«
    »Hast du vielleicht schon einmal eine chinesische Beerdigung gesehen? Schau dir mal die Statistik an. Geburten gibt es genug. Aber im letzten Jahr wurde nur ein einziger Todesfall registriert. Dafür hat ein chinesisches Restaurant nach dem anderen aufgemacht. Also, sag mir, wohin verschwinden die?«
    »Ich bitte Sie, Galvano! Alte Chinesen kommen nicht nach Europa. Schauen Sie die doch an. Die sind alle unter vierzig.«
    »Glaub du, was du willst, Laurenti. Ich glaub was anderes! Mit den Pässen schaffen sie doch nur andere ins Land. Unsere Grenzer können sie ja nicht auseinanderhalten. Aber was hast du eigentlich für Probleme, um einen alten Mann bei diesem Sauwetter auf die Straße zu zwingen?«
    Laurenti überlegte kurz, ob er umbestellen sollte, der Appetit war ihm gründlich vergangen. Er ballte die Hände zu Fäusten. »Es ist so«, er räusperte sich, »ich hatte seit einiger Zeit das Gefühl, daß …«
    »Aha! Deine Frau will dich nicht mehr. Stimmt’s?«
    »Ich weiß nicht so genau …«
    »Was heißt, du weißt es nicht so genau? Wenn du dir über das Gegenteil nicht sicher bist, dann ist es so.«
    Laurenti bereute, daß er versucht hatte, Galvano ins Vertrauen zu ziehen. Diese graustufenlose Hartherzigkeit konnte er nicht gebrauchen. Er wollte jammern dürfen und getröstet werden, Zuversicht hören und guten Rat. Aber Galvano war dafür der falsche.
    »Wann hat sie es dir gesagt?«
    »Samstag abend. Ich mußte es ihr wie Würmer aus der Nase ziehen. Von sich aus hätte sie so weiter gemacht und …« Laurenti schluckte trocken.
    »Und du konntest die Ungewißheit nicht ertragen, Laurenti. Stimmt’s? Hast nachgebohrt wie ein Irrer und eine Szene nach der anderen gemacht, so wie ich dich kenne. Trotzig bis zum Weltuntergang. Und warum?«
    »Sie sagte, sie wisse nicht, ob sie in ihn verliebt sei. Er aber in sie. Und das scheint ihr zu gefallen. Ich meine, das kann sie doch nicht machen! Immerhin hat sie noch nicht mit ihm geschlafen.«
    »Wer sagt das?«
    »Sie! Sie hat es mir gesagt. Sie ist jetzt zu ihrer Mutter gefahren.«
    »Glaub das doch nicht, Laurenti. Natürlich sagt sie das. Um dich nicht zu verletzen. Deshalb.«
    »Aber sie ist dort. Mein Sohn hat sie dort angerufen.«
    »Daß sie nicht mit ihm gevögelt hat, meinte ich. Warum sollte sie es dir sagen? Außerdem, was würde das schon verändern? Und du willst jetzt wissen, was du tun sollst. Stimmt’s?«
    Das Essen kam, Galvano langte kräftig zu, während Laurenti lustlos mit den Stäbchen in der Schale herumstocherte.
    »Ich überlege die ganze Zeit, ob ich sie anrufen soll oder nicht. Außerdem will ich wissen, ob sie mit dem Kerl in Sorrent war. Sie war dort vor ein paar Wochen, bei Freunden. Und ich will wissen …«
    »Also hast du sie fortgejagt mit deiner andauernden Fragerei. Sie muß selbst merken, ob du ihr fehlst und wie sehr. Laß die arme Frau in Ruhe! Iß was, Laurenti.«
    »Ich hab keinen

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