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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Piemont. Ich meine echte.«
    »Gab’s eine Gehaltserhöhung, Laurenti? Noch eine Beförderung? Hab ich was nicht mitbekommen?«
    Die Kellnerin hatte Galvanos leeren und Proteos fast unberührten Teller abgetragen und zwei Gläser Pflaumenwein gebracht.
    »Die üblichen offenen Rechnungen werden anders beglichen. Entweder wurde ein Exempel statuiert oder es handelt sich um eine Verwechslung«, sagte Galvano und zündete sich eine Menthol-Dunhill an.
    »Das schließe ich grundsätzlich aus.« Laurenti schielte nach der grüngoldenen Zigarettenschachtel. »Ich tausche meinen Schnaps gegen eine Zigarette, Galvano.« Er schob das Glas zu seinem Gesprächspartner.
    »Nimm ruhig, aber fang das Rauchen nicht wieder an!«
    »Die Tat war sorgfältig und vermutlich schon seit langem geplant. Die sicherste Methode war, einen Tag abzuwarten, an dem die Bora nera tobte. Der Mörder hatte viel Geduld, wußte genau, was er wollte, und verwechselte schon deshalb nichts. Außerdem kündigte er die Tat kurz vorher an. Telefonisch, bei mir zu Hause. Also bleibt nur die Möglichkeit eines Exempels. Aber was für eines?« Er steckte sich die Mentholzigarette an und mußte sofort husten.
    »Warum stehst du eigentlich im Telefonbuch?«
    »Warum wohl? Die Kinder!«
    »Was ist mit Schutzgeld?«
    »Nicht in Triest, Doktor. Davor sind wir bisher so gut wie verschont geblieben. Hier läuft doch jeder gleich zur Polizei.« Er drückte die Zigarette angewidert aus.
    »Schmeckt wie Papiertaschentücher, nicht wahr?« Galvano grinste. »Also, was sonst?«
    »Ich weiß es eben nicht. Die Spurensicherung untersucht jetzt die Trümmer. Vielleicht findet sich was. Drohbriefe oder ähnliches. Die Kollegen von der Guardia di Finanza durchsuchen den Laden und die Buchhaltung. Vielleicht liegt dort der Schlüssel. Und die Faschisten? Können Sie sich vorstellen, daß die wieder hier so weit gehen?«
    Es war das erste Mal in diesem Gespräch, daß Galvano sich Zeit mit seiner Antwort ließ und schließlich die Schultern zuckte. »Vorstellen schon. Aber weshalb?«
    »In Zusammenhang mit dem Treffen in Triest. Aufmerksamkeit? Die meisten Einwohner Contovellos gehören zur slowenischen Minderheit.«
    »Ich kann es mir aus zwei Gründen nicht vorstellen: erstens würden sie sich eine Institution suchen, ein Kulturzentrum, eine Schule, wie im Juli 1920 der Anschlag auf das Hotel Balkan und den Narodni Dom …«
    Laurenti hob fragend die Augenbrauen.
    »Das war am 22. Juli 1920. Das will heute kein Italiener mehr hören. Eine wildgewordene Meute Faschisten zog damals zuerst vor den Narodni Dom Balkan, das slowenische Kulturhaus mit angeschlossenem Hotel, und brannte es nieder. Es gab zwei Tote. Dann legten sie Feuer in einem Gasthaus, in Anwaltskanzleien, slowenischen Geschäften und drei Banken. Weitere zwölf Verletzte. Die Polizei hielt sich im Abseits.«
    »Ja, davon hab ich gehört.«
    »Die Sache breitete sich rasend schnell aus. Ende Juli 1920 brannte der Narodni Dom in Pola, aber auch in Triest ging es weiter. Diese bescheuerte Suche nach einer nationalen Identität zerstörte die ganze Stärke dieser Stadt, unter den Faschisten hat sie alles verloren, auch wenn das viele bis heute nicht wahrhaben wollen. Und gegenüber den Slawen nahm die Gewalt üble Ausmaße an. Ich erzähl’s dir beizeiten ausführlicher, wenn es dich interessiert. Nur, daß die Faschisten hinter dem Mord in Contovello stehen, das glaube ich nicht. Das wagen die nicht, wenn sie sich in diesen Tagen gleichzeitig hier zusammenrotten wollen. Außerdem wärst du den Fall schon längst los, wenn es dafür Anzeichen gäbe.«
    »Allerdings. Ich habe heute früh mit den Kollegen der anderen Abteilungen gesprochen. Die Spezialeinheiten winkten alle ab.«
    Galvano rief nach der Kellnerin und verlangte die Rechnung. »Sei auf der Hut! Du mußt dennoch damit rechnen, daß die genau hinschauen, ob du rasch vorankommst oder nicht.« Er legte dreißigtausend Lire auf den Tisch und hob abwehrend die Hand. »Diesmal zahle ich, das nächste Mal du, aber woanders.«
     
    *
    Proteo Laurenti ging nicht direkt in sein Büro. Er bog in den Viale XX Settembre ein und steuerte, ohne selbst klar sagen zu können weshalb, die Bar »Bellavia« an. Er hatte bisher noch nie direkt mit den Neofaschisten zu tun gehabt und würde deshalb auch nicht als Polizist identifiziert werden. In der Bar wollte er ein Tramezzino oder einen Toast essen, um seinen brennenden Hunger zu stillen. Und er war neugierig.
    An der Mauer

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