Die Toten Vom Karst
angesehener Arzt geworden, wenn ich nicht aus Mitleid mit der Triestiner Polizei hier geblieben und verschimmelt wäre, vergiß das nicht! Noch kennen wir die Identität des Toten nicht. Seine Fingerabdrücke haben wir weitergegeben, sie waren aber nirgends registriert. Ein Meter dreiundachtzig groß, von auffällig kräftiger, muskulöser Statur. Ich gehe davon aus, daß er regelmäßig körperliche Arbeit verrichtete. Sein Magen war annähernd leer. Er hat gestern abend nichts gegessen. Es gab keine Spuren eines Kampfes, nichts unter den Fingernägeln et cetera. Er wurde gerichtet, auf das Stahlgestell geflochten, so wie die Tito-Partisanen das einst gemacht haben. Aber dann wurde er erschossen, witzigerweise mit einer Harpune. Außerdem hatte er einen Kaffeesack über dem Kopf. Ich denke die ganze Zeit darüber nach, ob dies Zeichen, Nachrichten an uns sind, die wir lesen lernen müssen. So eine Art Bilderrätsel.« Galvano reichte Fotografien herum. »Hier schaut selbst. Das können Mitteilungen sein, die uns der oder die Mörder gegeben haben. Aber es kann auch gar nichts bedeuten.«
»Der Alte wurde von einem Griechen gefunden, mit dem wir am Sonntag als Zeugen zu tun hatten. Sgubin«, fragte Laurenti, »warst du bei ihm?«
»Ja, er war zu Hause. Er sagte, daß ihm nicht wohl war und er deshalb nicht zur Arbeit gegangen war. Um sich zu erholen, sei er spazierengegangen.«
»Kannte er den Toten?«
»Nein. Der hatte doch einen Sack über dem Kopf, er hat ihn gar nicht gesehen. Sagte nur, er hätte auf der Stelle die Polizei verständigt. Doktor, wir brauchen sein Foto in der Zeitung!«
»Es ist schon unterwegs.«
»Was fährt der Grieche für ein Auto?« fragte Laurenti.
»Einen Ford Fiesta. Aber er hatte ihn vorne an der Straße geparkt.«
»Nach den Reifenspuren im Schnee war es ein Kleinwagen, der vor der Foiba hielt«, sagte Galvano.
»Ja«, sagte Emelda Beano, die Leiterin der Spurensicherung. »Die Spur ist zwar nicht allzu deutlich. Ich habe sie angeschaut, bevor ich herkam. Ein Fiesta war das nicht, es handelt sich vermutlich um einen Japaner älteren Baujahrs. Für alles andere stimmen Radstand und Bereifung nicht, und auch die meisten anderen Fabrikate müssen wir ausschließen. Ich tippe auf einen Mitsubishi Baujahr Mitte achtzig. Das rechte Vorderrad läuft nicht in der Spur und die Bereifung ist auf beiden Achsen verschieden. Ein Profil ist tiefer, hinten rechts. Ich nehme an, daß vor kurzem erst das Ersatzrad montiert wurde.«
»Wenn Sie bitte noch die Farbe und das Kennzeichen nennen könnten, Emelda«, sagte Laurenti.
Sie lachte auf. »Und auch noch wer am Steuer gesessen hat, wie? Nein, leider nicht. Spurenlesen ist nicht das gleiche wie Hellsehen.« Wenn sie lacht, dachte Laurenti plötzlich, ist die Brille gar nicht so schlimm. Und so knochig, wie er sie in Erinnerung hatte, war ihre Figur nun beileibe nicht.
»Das heißt, wir müssen warten, bis sich irgend jemand auf das Bild in der Zeitung meldet oder es heute abend in den Nachrichten sieht.« Umberto Marrone, der Mann vom Karst, runzelte die Stirn. »Dann steht das Telefon wieder einmal für drei Tage nicht still.«
»Ich weiß, Marrone, aber dann kommen wir endlich voran!« Laurenti wandte sich an den Kollegen von der Guardia di Finanza. »Tozzi, haben Sie bei der Prüfung der Bücher in Gubians Laden etwas herausgefunden?«
»Nach dem ersten Überblick scheint alles in Ordnung zu sein. Aber wir prüfen ja erst den dritten Tag. Nur, so wie diese Bücher geführt sind, so ordentlich und akkurat, rechne ich kaum mit etwas. Auch die Bankkonten weisen keine extremen Bewegungen aus. Der Laden brummte, Gubian verstand sein Geschäft und verdiente sehr gut. Ich glaube nicht, daß es viele solcher Läden in Triest gibt.«
»Ist daraus ein Motiv abzuleiten?«
»Kaum, nach der derzeitigen Erkenntnis. Schutzgeldprobleme haben wir hier nicht, außerdem sah man es dem Geschäft ja nicht an, daß es so rentabel ist. Aufkäufe in dieser Gegend gibt es auch nicht, also nichts, womit man ihn hätte unter Druck setzen können. Auch die Kredite sind alle ordnungsgemäß über die Banken gelaufen. Es gibt kein Loch, das nicht erklärt werden kann. Und auch im Lager fand sich nichts, was dort nicht hingehörte. Wenn er schmutzige Geschäfte größeren Ausmaßes machte, dann ganz gewiß nicht über den Laden. Außer es taucht in den nächsten Tagen doch noch eine Überraschung auf.«
»Wir sollten noch etwas in die Zeitung setzen.« Proteo
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