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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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riß die Füße vom Tisch, verabschiedete sich eilig von seinem Gesprächspartner und legte den Hörer auf.
    »Und? Was gibt’s?« Laurenti riß das Fenster auf.
    »Mensch, das hat vielleicht gedauert. Seid ihr immer so langsam?«
    »Marco, ich habe dich gefragt, was du ausgefressen hast?«
    »Nichts, verdammt nochmal. Das war so: Wir saßen wie schon oft nach dem Mittagessen im ›Tse Yang‹. Huan ist unser Freund und der Sohn des Wirts. Du kennst ihn auch, Papà! Er war schon bei uns zu Hause. Wir gehen zusammen zur Schule.«
    »Und? Weshalb haben sie euch dann eingelocht?«
    »Weil sie spinnen. Da ruft wahrscheinlich irgend so ein gelangweiltes, frustriertes altes Mütterlein bei euch an und faselt von verbotenem Glücksspiel. Es ist zum Lachen! Nur, daß ihr anscheinend nichts Besseres zu tun habt, als Unschuldige zu jagen. Auf einmal sind alle Chinesen Verbrecher. Das kann man sich doch nicht gefallen lassen. Diese saudummen Polizisten führen sich auf, als hätten sie die Roten Brigaden aufgestöbert. Die nahmen uns einfach fest, ohne die Ausweise zu überprüfen. Nichts! Ab in den Transporter und aufs Kommissariat! Und dann die Schikanen: Warten bis zum Dummwerden. Vier Stunden habe ich gewartet. Am Ende hatten sie endlich begriffen, daß sie sich geirrt haben. Aber auch erst als der Anwalt der Chu-Li’s auf den Tisch gehauen hat. Der macht jetzt eine knallharte Geschichte draus.« Marco nestelte eine weitere Zigarette aus der Packung seines Vaters.
    »Was heißt hier Geschichte? Und übrigens sind das meine Zigaretten«, Laurenti steckte die Schachtel ein. »Gib das Feuerzeug her!«
    Marco kramte es unwillig aus der Hosentasche. »Ich wußte gar nicht, daß du rauchst, Papà.«
    »Ich rauche auch nicht. Also sag schon, was für eine Geschichte will der Anwalt da draus machen?«
    »Och, der bringt sie in den ›Piccolo‹, hat er gesagt.«
    »Auch das noch! Und da schreiben sie dann wieder alle Namen rein, inklusive Marco Laurenti. Das darf doch nicht wahr sein.« Proteo stürzte zum Telefon und wählte hastig die Nummer Rossana di Matteos. Er ließ es lange klingeln, irgendwann meldete sich die Zentrale und sagte, die Chefin sei bereits aus dem Haus. Er suchte ihre Mobilnummer, doch auch dort war nur der Anrufbeantworter eingeschaltet. In knappen Worten sagte er, um was es sich drehte, und bat sie um Beistand.
    »Und wer war das mit der Türverglasung? Wer hat die auf dem Gewissen?«
    Marco starrte angestrengt aufs Fenster. »Keine Ahnung. Ich hab’s nicht gesehen. Aber sag selbst, hätten wir uns das einfach so gefallen lassen sollen?«
    »Das ist Widerstand gegen die Staatsgewalt, Marco! Glaub bloß nicht, daß wir hier bescheuert sind! Nur, daß das ganz automatisch an den Staatsanwalt weiter geht und ich es kaum werde aufhalten können.«
    »Ihr übertreibt! Und wer ist hier eigentlich der Boß? Du doch, Papà, oder nicht?«
    »Marco«, sagte Proteo Laurenti, während er sich eine Zigarette anzündete und das Fenster schloß. »Marco, so geht das nicht mehr weiter. Du hängst überall drin, womit ich derzeit zu kämpfen habe. Zuerst bei den Faschisten und jetzt spielst du dich als Beschützer der armen Chinesen auf. Morgen warte ich darauf, daß sie dich bei den Anarchisten festnehmen. Kannst du nicht ein ganz normaler Junge von siebzehn Jahren sein, so wie alle anderen?«
    »Achtzehn, Papà. Am zwölften Dezember werde ich achtzehn.«
    Proteo schoß durch den Kopf, daß er sich um ein Geschenk kümmern mußte. Drei Wochen noch, dann spätestens wäre wohl auch Laura wieder da, zumindest vorübergehend. Die Geburtstage ihrer Kinder hatte sie immer zum Fest gemacht. Hoffentlich kam sie früher zurück. Er mußte sie anrufen. Er hatte es ihr versprochen. Sie wartete bestimmt ungeduldig auf seine Nachricht.
    »Aber du kannst schon recht haben«, sagte Marco. »Für Samstag ist eine Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit und für die Chinesen angesagt.«
    »Du gehst da nicht hin! Marco!« Laurenti schwirrte der Kopf.
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich das nicht möchte, ganz einfach!«
    »Du spinnst doch, Papà! Außerdem: Chinesen gab es schon vor hundert Jahren in Triest.«
    »Wer hat dir denn den Blödsinn erzählt?«
    »Es ist wahr! In San Giacomo. Sie wuschen die Wäsche der Schiffe des Triestiner Lloyd! Das waren nicht mal wenige, aber damals blieben sie in ihrem Viertel und heute raunt jeder von der gelben Gefahr, wenn man sie sieht. Das ist Rassismus, Papà. Verstehst du jetzt endlich, um was es

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