Die Toten von Bansin
passt auÃerdem besser zu Hering mit Bratkartoffeln.«
»Hier ist alles so natürlich«, schwärmt die Kölnerin weiter, »auch das Essen. Zu Hause esse ich eigentlich nur ungesundes Zeug.«
»Ach, das ist alles relativ«, meint Berta. »letztes Jahr, als hier umgebaut wurde, hab ich ja auch oft zu Hause gekocht und gegessen. Dabei hab ich dann ferngesehen. Und meistens hat das auch so geklappt, wenn ich gerade mit Appetit reinhauen wollte, haben die eine Putenfarm gezeigt oder was von Antibiotika im Schwein erzählt, oder von Pflanzengiften auf dem Gemüse, oder wie ungesund Fast Food ist. Ich hab eine Menge dabei gelernt, vor allem eines: Man soll beim Essen nicht fernsehen.«
»Man sollte überhaupt nicht fernsehen«, ergänzt Anne. »Jedenfalls nicht am Tage. Die bringen bis abends nur Sendungen, in denen du erkennst, warum manche Leute Hartz-IV-Empfänger sind und es vermutlich auch bleiben. Ich weià gar nicht, für wen die so was zeigen, ich werde ganz depressiv dabei.«
»Wahrscheinlich für genau diese Leute, die Zeit haben, den ganzen Tag vor der Glotze zu sitzen«, vermutet Berta.
»Aber abends ist es auch nicht viel besser.« Anne steigert sich in das Thema hinein. »Was die da âºComedyâ¹ nennen, am Freitagabend zum Beispiel, also ich kann da nicht drüber lachen. Ich meine, wir sind ja bestimmt nicht prüde, aber was die zeigen, ist einfach nur eklig.«
»Stimmt«, bestätigt Frank von seinem Hocker aus, »manche scheinen zu glauben, je schamloser sie sind, um so lustiger ist es. Irgendjemand, ich glaube, es war Freud, hat mal gesagt: âºDie Abwesenheit von Schamgefühl ist das sicherste Zeichen für Schwachsinn.â¹ Das ist doch sehr bezeichnend für unser Fernsehprogramm.«
âºWie schlau wir doch wieder sindâ¹, denkt Anne, sagt aber nichts, um Sophie nicht zu verärgern, deren verliebter Blick auf den attraktiven Mann ihr nicht entgangen ist.
Zwei Stunden später ist man am Stammtisch dann doch zu Sekt übergegangen. AuÃer den vier Frauen â Steffi, Berta, Anne und Inka â sind keine Gäste mehr da. Jenny Sonnenberg, die zwischenzeitlich hier gegessen und ein bisschen mit Anne und Inka über die Reisegruppen geplaudert hat, hat die Gaststätte zusammen mit ihrem Ehemann Frank verlassen. Annes Kommentar dazu â »Das ist das Holz, aus dem Waschlappen gemacht sind« â hat ihr einen warnenden Blick von Sophie eingebracht, was wiederum Berta nachdenklich registriert hat.Inka unterhält sich jetzt angeregt mit Steffi. In der mütterlichen Frau hat sie endlich jemanden gefunden, der sie ernst nimmt und nicht über ihre Missgeschicke lacht, sondern sogar etwas Mitgefühl aufbringt.
»Ich kenne das«, erklärt die Kölnerin. »Man will sich besondere Mühe geben und dann klappt es erst recht nicht. Besonders, wenn alle darauf warten, dass man wieder etwas falsch macht. Das ist ein Teufelskreis. Aber vielleicht hast du ihn ja heute durchbrochen. Ich glaube, dass die Reiseleitungen sehr gut sind für dich. Du bekommst Anerkennung und dann wirst du auch sicherer. Ob ich wohl mal mitfahren kann? Ich würde die Insel so gern besser kennen lernen.«
»Bist du eigentlich mit dem Auto hier?«
»Nein, mit der Bahn. Zu Hause fahre ich zwar Auto, aber die Strecke von Köln hierher war mir dann doch zu weit. Allerdings, wenn ich jetzt länger bleibe â ich glaube, ich bitte meinen Enkel, mir das Auto herzubringen. Dann bin ich doch beweglicher.«
Inka staunt. »Dein Enkel? Wie alt ist der denn, wenn der schon Auto fährt?«
»Mario ist 22. Er studiert in Berlin Kunstgeschichte, ist aber oft zu Hause in Köln. Er könnte ja mal mit meinem Auto herkommen und dann mit der Bahn weiter nach Berlin fahren. Das macht der bestimmt für seine Oma, er ist ein ganz Lieber. Ach, ich werde ihn morgen gleich mal anrufen. Nur schade, dass man nicht mehr in der Ostsee baden kann. Der Junge ist so eine Wasserratte. Wie ist es denn bei dir? Gehst du im Sommer schwimmen?«
»Ehrlich gesagt, nicht so oft.« Inka ist etwas verlegen. »Eigentlich gar nicht. Ich fürchte mich ein bisschen vor dem Meer. Albern, nicht?«
»Ach wo.« Steffi schüttelt lachend den Kopf. »Das ist ja manchmal so, dass man das, was man jeden Tag haben kann, nicht zu schätzen weiÃ. Aber weiÃt du was? Ich komme im Sommer mal her, dann
Weitere Kostenlose Bücher