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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pupke
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Läden, aber nicht das, was man braucht.«
    Â»Wir hätten ja auch in Bansin einkaufen können«, wendet Berta ein.
    Â»Ja«, bestätigt Sophie. »Aber nicht mit dir. Da brauchen wir nämlich den ganzen Tag, weil du alle zehn Meter stehen bleibst und mit irgendjemandem redest.«
    Berta zuckt mit den Achseln. »Ja, so ist das nun mal, wenn man alle kennt im Ort. Mir gefällt das auch so. Außerdem hab ich ja Zeit genug.«
    Einträchtig schlendern sie die Promenade entlang, vorbei an zahlreichen Urlaubern.
    Â»Für die Jahreszeit sind noch erstaunlich viele Gäste da und das werden von Jahr zu Jahr mehr«, stellt Berta im Gedanken an die Pension ihrer Nichte zufrieden fest.
    Bevor sie in die Seestraße einbiegen, kann Anne ihre beiden Begleiterinnen noch zu einem Eis beim Italiener überreden.
    Sörens Dorf liegt idyllisch am Ufer eines Sees. Die meisten Häuser sind klein und mit Schilfrohr gedeckt. Fremde nennen sie »Reetdächer« oder »Ried«, hier sagt man einfach Rohrdächer. Es gibt ganz alte, moosbedeckte, auf einer halb verfallenen Scheune zum Beispiel und einige ganz neue. Sie sind noch hell, größer als die alten, auch die Häuser darunter sind größer. Manche stehen im Winter leer, die Fensterläden sind bereits verschlossen, die Briefkästen zugeklebt. Unten am Wasser, neben dem Steg, liegt oft ein kleines Boot, umgedreht oder mit einer Plane bedeckt. Große Boote sind nicht erlaubt, überhaupt keine Motorboote, der See steht unter Naturschutz.
    Die Einwohner dieses Dorfes haben vor mehr als hundert Jahren das Seebad Bansin gegründet, es waren ein paar Bauern, hauptsächlich Fischer. Weder vom Ackerbau auf dem mageren Sandboden noch von der Fischerei konnte eine Familie leben, deshalb haben die meisten sowohl Landwirtschaft betrieben als auch gefischt. Als das Badewesen in Mode kam, haben sie in Strandnähe, einen Kilometer vom Dorf entfernt, Sommerhäuser gebaut, große, prächtige Villen. Nur wenige von ihnen wurden reich damit, und auch sie haben spätestens in der Weltwirtschaftskrise ihre Häuser verloren.
    Sörens Dorf blieb Fischerdorf. Noch vor 20 Jahren wohnte in jedem zweiten der 35 Häuser eine Fischerfamilie. Die anderen arbeiteten in der Landwirtschaft, waren in einer Genossenschaft angestellt. Zu Hause hatten die meisten noch ein paar Hühner und Kaninchen und einen Garten. Die Kuh- und Schweineställe hatten sie umgebaut, zu Ferienwohnungen, das brachte mehr ein und war bequemer als die Viehzucht. Es roch auch etwas besser.
    Jetzt ist es ruhig im Dorf. Im Sommer fällt das nicht auf, dann sind Urlauber da, teure Autos fahren auf der engen Dorfstraße, abends hört man auch mal ein Kinderlachen oder die Musik von einem Grillfest. Doch wenn die Saison vorbei ist, bemerkt man, dass fast nur noch alte Leute hier wohnen. Die Kinder sind weggezogen, dahin, wo sie Arbeit finden. Hier lebt man nur vom Tourismus, die Hotels sind die größten Arbeitgeber. Landwirtschaft gibt es kaum noch, die Strandfischerei stirbt aus.
    Sören Mager sitzt in der Küche seines Elternhauses. Es ist eines der wenigen Häuser, das kaum umgebaut wurde, nicht zu DDR-Zeiten und auch nicht danach. Nur ein Herd, der mit Propangas betrieben wird und dessen Backofen schon lange nicht mehr funktioniert, steht neben dem alten Kohleherd. Und aus der Speisekammer ist ein Bad geworden, das inzwischen allerdings auch schon wieder veraltet ist. In den beiden straßenseitigen Räumen, im Wohn- und im Schlafzimmer, stehen noch die Möbel, die Sören von seinen Eltern übernommen hat.
    Die Küche liegt auf der Rückseite des Hauses, durch eine Tür tritt man auf den Hof, ein leicht abschüssiges Gelände, das am See endet. Das Rohrdach ist im Sommer frisch gedeckt worden, davon abgesehen ist der Bootssteg das Einzige, was Sören in den letzten Jahren erneuert hat. Er sitzt an dem großen Holztisch mitten im Raum und löffelt Sojajoghurt, in den er Ananasstücke geschnitten hat. Der Kontrast zwischen dem jungen Mann und seiner Umgebung könnte kaum größer sein. Sören ist sehr attraktiv und sich dessen durchaus bewusst. Er trägt auch hier zu Hause enge Markenjeans und ein modisches T-Shirt. Das lange blonde Haar hat er zu einem Zopf zusammengebunden.
    Sein Freund Carlos läuft in der Küche hin und her und schimpft abwechselnd spanisch und deutsch. Wie fast täglich teilt

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