Die Toten von Bansin
alles offen.« Der WeiÃhaarige kichert wieder.
Berta sieht ihn missbilligend an. »Vielleicht ist da ja schon mal eingebrochen worden. Die haben doch bestimmt verschreibungspflichtige Medikamente da und so was. Du solltest das dem Doktor sagen, oder Schwester Marita oder wenigstens der Schröder, dass sie besser aufpasst und die Türen zuschlieÃt.«
Der WeiÃhaarige zuckt mit den Schultern. »Was geht mich das an? Als Brinkmann mich damals entlassen hat, weil ich angeblich geklaut hab, hat mir doch auch keiner beigestanden. Dabei wussten alle, dass das nur ein Vorwand war, weil ich ihm als Hausmeister zu alt war.«
âºOder zu faulâ¹, denkt Berta, sagt aber nichts mehr.
Freitag, 2. November
Berta ist selten krank und wenn, dann behilft sie sich lieber mit diversen Hausmitteln, als zum Arzt zu gehen. Deshalb kennt sie Schwester Marita auch mehr aus den Erzählungen anderer als aus eigenem Erleben. Aber sie mag die Frau, ihr Aussehen stört sie nicht. Im Gegenteil. Sie grinst, als sie die Sprechstundenhilfe beobachtet, die gerade umständlich die Praxis abschlieÃt, sicherheitshalber noch einmal die Klinke herunterdrückt und dann vorsichtig auf ihren dünnen Beinen die Treppe hinunterstakst.
»Hast du es eilig?«
Marita, die gerade ihr Fahrradschloss öffnen wollte, richtet sich auf, erkennt Berta, die einen Hund dabei hat, und grüÃt freundlich. »Tach, ihr beiden. Nein, ich hab Zeit, auf mich wartet ja keiner. Brauchst du etwas aus der Praxis?«
Die Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit. Marita schätzt die ruhige, unaufgeregte Art der alten Wirtin, die nur dann in die Praxis kommt, wenn sie wirklich krank ist, dann aber auch nie die Kompetenz des Arztes anzweifelt und sich an seine Anweisungen hält.
»Nein. Ich dachte, wir können ja mal einen kleinen Spaziergang zusammen machen. Oder wir gehen einen Kaffee trinken. Was meinst du?«
Marita nickt zögernd. Was will Berta von ihr? Vermutlich hat sie von dem Rückfall des Doktors gehört. Inzwischen wird er sich im Ort herumgesprochen haben. Aber sie hat zu viel Respekt vor Berta, um bloÃe Sensationsgier zu vermuten. Im Gegenteil. Sie möchte wirklich mal mit jemandem über ihren Chef reden.
»Ein Spaziergang ist mir lieber. Kaffee hatte ich heute schon genug.«
Die Frauen gehen langsam bis zum Ende der Promenade. Am Beginn der Steilküste lässt Berta den Hund von der Leine. Der läuft begeistert kläffend durch den Strandsand zum Wasser, um die Möwen zu jagen. Berta und Marita folgen ihm und gehen dicht am Ufer im feuchten, festen Sand zurück. Sie geben ein seltsames Paar ab. Die dürre Krankenschwester schiebt die Hände tief in die Taschen ihres viel zu weiten, langen schwarzen Mantels und redet mehr und schneller, als es sonst ihre Art ist. In ihrer Erregung stürmt sie mit langen forschen Schritten voran. Ihre Begleitung, eher klein und erheblich dicker, kommt mit ihren kurzen Beinen kaum hinterher, will ihre Gesprächspartnerin aber nicht unterbrechen.
»Er ist ein guter Arzt, wirklich. Ich möchte ihm so gern helfen, dass er weiter arbeiten kann. Aber ich kann es nicht mehr verantworten. Es ist viel schlimmer als damals, ich glaube, er halluziniert bereits und leidet unter Verfolgungswahn. Er redet sich ein, dass ihm jemand Alkohol in seine Wasserflaschen füllt und nachts seine Unterlagen durcheinanderbringt oder ihm irgendwelche Sachen in den Schreibtisch legt.«
»Bist du sicher, dass er sich das alles einbildet? Vielleicht war ja wirklich heimlich jemand in der Praxis?«
Berta erzählt, was sie von dem WeiÃhaarigen gehört hat. Marita ist empört über den Leichtsinn der Putzfrau. »Da werde ich mich gleich morgen drum kümmern. Die kann sich auf etwas gefasst machen!« Dann überlegt sie. »Aber meinst du wirklich? Warum sollte jemand so gemein sein? Und vor allem: Wer käme dafür überhaupt in Frage?«
»Genau das ist das Problem.« Berta erzählt von ihrem Verdacht, dass zwischen den beiden Toten im Ort irgendein Zusammenhang bestehen könnte.
Marita schüttelt energisch den Kopf. »Du hast zu viel Phantasie. Ich bin mir sicher, dass es Unfälle waren. So etwas passiert nun mal. Obwohl mir das vor allem mit Sören Mager sehr leid tut. So ein junger Mann! Um Töpfer natürlich auch«, fügt sie schnell hinzu. »Aber Mord! Nein, also wirklich! Das kann ich mir nicht
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