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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pupke
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weder ihre Freundin noch ihre Tante nehmen diesen ohnehin nicht ernst gemeinten Vorschlag an.
    Als sie vor der Pension aussteigt, bemerkt Berta, dass sie heute zum ersten Mal nach Sörens Tod wieder richtig unbeschwert und vergnügt war und überhaupt nicht an die Unfälle gedacht hat.
    Donnerstag, 1. November
    Der kleine eiserne Ofen bullert und strahlt behagliche Wärme ab. In einem verbeulten Blechtopf, der auf der Ofenplatte steht, siedet das Wasser. Plötz zieht den Jackenärmel über die Finger seiner rechten Hand, fasst damit den einen Henkel des Topfes an und gießt das Wasser vorsichtig in dickwandige Gläser, die er vorher zur Hälfte mit Rum gefüllt hat.
    Â»Altes pommersches Rezept«, erklärt er Steffi, die wieder einmal auf einer Fischkiste hockt, »Schnaps muss, Zucker kann, Wasser braucht nicht.«
    Berta darf wieder auf dem Küchenstuhl sitzen, Arno hat sich mit einem Netz in seine Ecke zurückgezogen. ›Er sieht schlecht aus‹, denkt die Alte, Sörens Tod hat ihn mitgenommen. Er isst auch zu wenig. Der bräuchte dringend eine Frau, die sich um ihn kümmert. Ist doch ein feiner Kerl. Aber wo soll er hier eine finden?
    Der Weißhaarige öffnet die Tür. »Ich wollt mal gucken, ob du raus warst«, sagte er zur Begrüßung.
    Plötz schüttelt mit dem Kopf. »Bin doch nicht verrückt. Guck mal nach draußen, wie gries sei all utsieht.« Wie meist, wenn er von seiner Arbeit spricht, verfällt er ins Plattdeutsche.
    Â»Die Ostsee ist grau«, erklärt er Steffi, die ihn verständnislos ansieht, »und das Wasser steigt und steigt und ist spiegelglatt. Und denn, auf einmal, dreht der Wind auf Nord-Ost. Dann haben wir Sturmhochwasser. Ist genau das richtige Wetter dafür. Na, ich hab das Boot gestern schon hochgeholt.«
    Die Rheinländerin zeigt sich gebührend beeindruckt, als er vom Sturmhochwasser in der Silvesternacht 1913/14 erzählt, als hätte er es miterlebt. »Alle Fischerhütten waren weg und alle Boote. Die Promenade auch, die Gehwegplatten und die Bäume lagen alle kreuz und quer in der Gegend. Auf der unteren Bergstraße sind die Leute mit Booten gefahren und haben ihren Kram eingesammelt. Zwei Fischer schafften es nicht mehr an Land und ertranken, ihre Boote sind an die Seebrücke gedrückt worden und gesunken. Das war wohl das schlimmste Hochwasser in diesem Jahrhundert hier auf der Insel, aber ich selbst habe auch schon einige erlebt.«
    Berta hört gar nicht mehr zu, diese Geschichten hat Plötz schon zigmal am Stammtisch erzählt. Als der Fischer eine Redepause einlegt, um seinen Grog zu trinken, bevor er kalt wird, spricht sie den Weißhaarigen an. »Was ist eigentlich mit Doktor Moll? Du wohnst doch da direkt neben der Praxis. Trinkt der wieder?«
    Der Angesprochene zuckt mit den Achseln und pustet vorsichtig in sein Glas. »Ich weiß nicht genau. Die Praxis ist jeden Tag auf. Aber irgendwie komisch ist der Moll schon. Manchmal sieht der einen gar nicht, wenn man ihn auf dem Hof trifft. Und sein Auto lässt er seit einiger Zeit konsequent stehen. Wenn er weitere Wege zu fahren hat, kutschiert ihn seine Tochter. Oder Schwester Marita, der alte Besen. Die tut, als wäre sie mit ihm verheiratet. Lässt ihn nicht aus den Augen, als ob ihm einer was tun wollte. Ich glaub, sie bringt ihn auch abends ins Bett.« Er kichert. »Na ja, seine Alte ist ja auch schon lange weg. Das war ihr wohl damals zu doll, die Sauferei. Er konnte ja auch richtig eklig werden, wenn er einen im Turm hatte.«
    Â»Sie warf ihm das Saufen vor und er ihr das Essen nach«, vermutet Plötz.
    Â»Ja, so ungefähr. Aber Marita kann das ab, die passt auf auf ihren Doktor. Wenn einer über den Hof geht, sieht sie den an, als ob das ein Einbrecher wär, oder ein Autodieb. Sonst ist der Doktor immer als Letzter gegangen nach der Sprechstunde. Jetzt bleibt sie grundsätzlich bis zum Schluss, manchmal bis nach acht, und schließt hinter ihm zu. Tut sich ganz schön wichtig mit ihrer Alarmanlage. Der reine Blödsinn. Wenn einer in die Praxis will, braucht er bloß frühmorgens zu kommen. Die alte Schrödern macht doch da sauber. Die ist halb taub, während sie einen Raum putzt, kannst du die anderen ausräumen, das merkt die gar nicht. Und wenn sie den Müll rausbringt und draußen jemanden trifft, quatscht sie erst mal ’ne halbe Stunde. In der Zeit ist

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