Die Toten von Crowcross
dass die Polizei die DNA unschuldiger Leute in ihren Datenbanken behält, auch wenn eine Probe ihren Zweck erfüllt hat. Aber wenn Ihnen das hilft, denjenigen aufzuspüren, der die Morde begangen hat, dann ja .. . Okay.«
Noch eine einstudierte Antwort, dachte Jacobson. Glänzte da Schweiß auf Copelands Stirn, oder waren das nur ein paar fehlerhafte Pixel auf der Mattscheibe?
Die Schweizer Polizisten ließen Nigel eine halbe Stunde lang Däumchen drehen, bevor sie seine Fingerabdrücke und die DNA-Probe nahmen. Seine Fingerabdrücke waren schon mal genommen worden, damals, als er in U-Haft gekommen war. Aber das lag sicher zu lange zurück, sie waren bestimmt nicht in das moderne Computersystem der Polizei überführt worden. Nicht dass das eine Rolle spielte. Der DNA-Abstrich allerdings war etwas Neues. Nigel fühlte sich merkwürdig erniedrigt, so als wollten sie in ihn eindringen, seine Seele aus ihm herauszerren, sie klassifizieren, verarbeiten und vereinnahmen. Sobald er fertig war, nahm er ein Taxi zurück zum »Baur Au Lac«. Seine Anwälte hatten gesagt, es gebe keinerlei Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit, aber es wäre »nett« von ihm – so hatte einer der beiden es formuliert-, wenn er die Polizei informieren würde, falls er die Absicht habe, das Land zu verlassen oder das Hotel zu wechseln . Sie hatten ihm sogar seinen Pass zurückgegeben. Angesichts dieser Mitteilung vermutete er, dass er zumindest während der nächsten paar Tage überwacht werden würde.
Er ging geradewegs in sein Zimmer, duschte, zog sich um, schenkte sich einen Johnnie Walker aus der Minibar ein und stürzte ihn mit einem Zug hinunter, nur um sich gleich noch einmal nachzuschenken. Mit dem zweiten Glas wollte er sich Zeit lassen . Was er dringend tun musste, das wusste er, war, sich sein Gespräch mit der Polizei noch einmal genau zu vergegenwärtigen und jedes einzelne Detail, jede Konsequenz und Möglichkeit zu überdenken. Er trat hinaus auf den Balkon, doch er nahm die warme Abendluft und den Blick auf die Yachten draußen auf dem ruhigen Wasser kaum wahr.
Als die Schweizer Kriminalbeamten an die Tür seines Hotelzimmers geklopft hatten, war es ihm gelungen, sich überrascht zu zeigen. Er war freiwillig mit ihnen gegangen (nachdem ihm erlaubt worden war, seinen Anwalt anzurufen) und hatte nach Kräften den verantwortungsbewussten Mann von Welt gegeben.
Andy hatte er mit keinem Wort erwähnt, aber es hatte auch niemand nach ihm gefragt. Julia, seine Sekretärin, mochte von zwei Buchungen gesprochen haben, einer für ihn und einer für seinen Fahrer, aber wahrscheinlicher war, dass sie es nicht getan hatte. Andys Existenz konnte natürlich ins Blickfeld rücken, wenn die Crowbyer Detectives ausreichend im »Riverside Hotel« herumschnüffelten. Trat dieser Fall ein, würde er behaupten, sein Fahrer habe im Auto gewartet, während er drinnen bei Martin war. Warum sollte es auch nicht so gewesen sein? Am besten hielt er Andy aus der Sache heraus und beugte damit unnötigen Komplikationen vor, sonst würde er immer noch mehr erklären und in der Vergangenheit herumrühren müssen und immer tiefer in die polizeilichen Ermittlungen hineingezogen werden. Das war es schließlich, was die Bullen mochten: alles Ungewöhnliche, alles, was einen vom Standard abweichen ließ und einen in ihren Augen verdächtig machte. Die Bullen. Komisch. Selbst nach all den Jahren noch kam dieser Ausdruck ihm automatisch in den Sinn. Die Bullen. Der Dreck. Die Schlägertruppe des repressiven kapitalistischen Staates.
34
Nach der Videokonferenz ging Jacobson seinem Chef aus dem Weg und fuhr mit Kerr zurück zum Präsidium. Salter würde sich noch länger im Headquarter auf halten wollen und einen Vorwand finden, um mit dem Chief Constable zu reden, oder doch wenigstens mit einem seiner Vertreter, zum Beispiel über Jacobsons abruptes Verlassen der Pressekonferenz am Vortag (Jacobson gegenüber hatte Salter den Vorfall typischerweise mit keinem Wort erwähnt). Darüber wollte Jacobson sich aber erst Gedanken machen, wenn es tatsächlich nötig wurde.
Zurück im Präsidium, ging er als Erstes zu Jim Webster, dem Chef der Spurensicherung. Dessen einzige Neuigkeit fiel allerdings nicht gerade ermutigend aus. Der Ballistikexperte des Forensic Science Service in Birmingham hatte einen ersten Blick auf die Kugel geworfen, die aus Karen Holts Gehirn geholt worden war, und einen kurzen Bericht gefaxt.
»Die Hauptsache scheint zu sein, Frank, dass
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