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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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stand auf und ging mit entschlossenen Schritten auf die Tür zur Augenstation zu.
    Morse griff sich eine Nummer von Country Life, die auf einem der Stühle herumlag, schlug die letzte Seite auf und machte sich daran, das Kreuzworträtsel zu lösen. Er brauchte genau elf Minuten. Der junge Murdoch hatte ihn, während er dasaß und überlegte und ab und zu etwas niederschrieb, immer wieder verstohlen von der Seite angeblickt und einige Male zum Sprechen angesetzt, es aber dann gelassen. Als Morse jetzt das letzte Wort in die Kästchen eintrug und anfing zurückzublättern, hielt er es nicht länger aus.
    »Wie lange soll ich hier eigentlich noch sitzen?« fragte er in aggressivem Ton, der seine Angst nur schlecht verbarg.
    »Bis der Sergeant zurückkommt.«
    »Und wie lange wird das noch dauern?«
    Morse zuckte die Achseln und betrachtete mit gespieltem Interesse das Porträt der ehrenwerten Fiona Forbes-Smithson, die in Kaschmirpullover und Tweedrock an dem Kamin ihres Landhauses lehnte. »Das kann man vorher nie so genau sagen. Manche sind vernünftig und beantworten die Fragen, die wir ihnen stellen, andere suchen erst lange nach Ausflüchten …«
    »Er ist zu Michael gegangen, oder?«
    Morse nickte.
    »Das ist gemein von Ihnen! Michael ist krank. Der Arzt hat gesagt, jede Aufregung könne ihm schaden.«
    »Ich habe mich erkundigt. Es geht ihm schon sehr viel besser«, sagte Morse ungerührt. »Er wird sogar auf dem einen Auge wieder sehen können. Da hat er noch mal Glück gehabt.«
    »Das heißt doch aber nicht …«
    »Jetzt hör mir mal zu, mein Junge«, sagte Morse freundlich.
    »Sergeant Lewis und ich haben die Aufgabe, einen Mordfall zu klären. Das braucht viel Zeit und Geduld, und manchmal sind wir auch gezwungen, Dinge zu tun, die wir eigentlich lieber nicht täten. Andererseits – wenn wir Leute finden, die uns helfen und uns sagen, was sie wissen, gelingt es uns vielleicht, den Dingen auf den Grund zu kommen und den Mörder zu finden. Und das kann unter Umständen sehr wichtig sein; manchmal verhindert man auf diese Weise, daß noch ein zweiter Mord passiert.«
    »Aber ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich …«
    »Hör endlich auf zu lügen!« donnerte Morse. »Glaubst du im Ernst, daß es mir und Sergeant Lewis Spaß macht, jemanden zu befragen, der krank im Bett liegt? Du hast vollkommen recht: dein Bruder ist tatsächlich noch krank. Glaubst du, ich weiß das nicht oder es wäre mir gleichgültig? Glaubst du, ich würde riskieren, daß er eventuell Schaden nimmt, wenn ich nicht dazu gezwungen wäre?«
    Edward sah ihn einen Moment lang mit weit aufgerissenen Augen an, dann beugte er sich plötzlich vor, preßte beide Hände flach auf den Brief und lehnte sich dann wieder schwer atmend zurück. Ein Lächeln des Triumphes spielte um seinen Mund.
    »Das war nun nicht gerade sehr klug von dir«, sagte Morse und schüttelte den Kopf. »Denn jetzt muß ich dich fragen, warum du das gemacht hast, und es dürfte dir ganz schön schwerfallen, eine plausible Erklärung zu geben.«
    »Sie haben den Brief extra da liegenlassen, um mich in die Falle zu locken!« rief der Junge mit einem schrillen Unterton von Verzweiflung. »Warum machen Sie nicht endlich, daß Sie wegkommen, und lassen mich in Ruhe!«
    »Nein, nein«, sagte Morse ruhig, »da irrst du dich, wenn du das annimmst. Du begehst eine Dummheit nach der anderen, ich muß dir gar keine Fallen stellen, du reißt dich schon von selber rein.«
    »Aber wenn ich es Ihnen doch sage! Ich habe den Brief nicht geschrieben!«
    »Na, dann ist ja alles in Ordnung. Dann brauchst du dich ja auch nicht so aufzuregen. Der Sergeant wird wohl gleich mit der Aussage deines Bruders zurücksein. Und dann nehmen wir dich mit nach Kidlington aufs Präsidium, und da wiederholst du deine Aussage, daß du den Brief nicht geschrieben hast. Das wird dann getippt, und hinterher mußt du unterschreiben, daß alles stimmt, was drinsteht. Das Ganze wird nicht lange dauern. Höchstens eine Stunde. Ich werde deine Mutter anrufen und ihr erklären, warum …«
    »Meiner Mutter geht das gar nichts an.«
    »So, meinst du? Glaubst du nicht, daß sie ein Recht darauf hat zu erfahren, wenn ihr Sohn von der Polizei verhört wird? Hoffentlich hält sie das nervlich durch. Sie hat ja jetzt nur noch dich zu Hause, und die Sache mit Michael wird eine große Belastung für sie gewesen sein …«
    Der Junge warf Morse einen gequälten Blick zu, dann vergrub er sein Gesicht in den Händen und begann zu

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