Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
die Zelle betrat, blickte er hoch und stand auf.
    »Guten Morgen, Sir«, begrüßte ihn Morse. »Na, endlich lerne ich Sie auch mal kennen. Ihren Bruder habe ich ja schon einige Male getroffen. Mein Name ist Morse – Detective Chief Inspector Morse.«
    »Charles hat mir schon von Ihnen erzählt.«
    »Bitte setzen Sie sich doch wieder. Unser Gespräch wird sicher etwas länger dauern. Ich habe übrigens gestern gleich hier auf der Wache Bescheid gegeben, daß man Ihnen, wenn Sie wollen, gestatten soll, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Ich hoffe, man hat Ihnen das ausgerichtet.«
    Richards nickte. »Ja, aber ich denke, ich werde keinen brauchen. Sie müssen mich ohnehin bald wieder gehen lassen – war übrigens eine ganz interessante Erfahrung, mal eine Nacht in einer Zelle zu verbringen.«
    »Ich hoffe, man hat Sie gut behandelt?«
    »Ja, ja. Ich will mich nicht beklagen. Das Essen hatte ich mir eigentlich schlechter vorgestellt, es hat mir direkt geschmeckt. Wahrscheinlich liegt das daran, daß ich nach einer Woche Spanienaufenthalt froh war, endlich wieder vertraute Kost zu bekommen. Aber vielleicht ist ja das Gefängnisleben auch insgesamt viel erträglicher, als man immer so annimmt, wenn man draußen ist.«
    »Ich fürchte, da werden Sie noch eine böse Überraschung erleben, Sir«, sagte Morse ruhig und ganz ohne Häme.
    Richards tat so, als habe er die Bemerkung nicht gehört. »Ich denke, jetzt sind Sie mir erst mal eine Erklärung schuldig, Inspector.«
    »Ich Ihnen? Ich war eigentlich davon ausgegangen, daß Sie mir etwas zu erklären hätten.«
    »Sie beschuldigen mich, einen Mann umgebracht zu haben; ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Da habe ich ja wohl ein Recht darauf, die Gründe dafür zu erfahren.«
    »Ja, das stimmt wohl. Am besten, ich schildere Ihnen, wie ich mir die Tat vorstelle. Aber ich muß dafür ein bißchen ausholen. Das Ganze beginnt damit, daß Ihr Bruder einen Erpresserbrief erhält. Er schmiedet einen Plan, wie er demjenigen, der ihm diesen Brief geschickt hat, auf die Schliche kommen kann, und bittet Sie, ihm bei der Durchführung dieses Plans zu helfen. Sie sind immer bereit gewesen, für Ihren Bruder alles zu tun, was in Ihren Kräften stand, und willigen auch diesmal sofort ein. Ein paar Tage nach dem Brief bekommt Ihr Bruder einen Anruf. Der Anrufer sagt nur wenig, aber Ihr Bruder merkt schnell, daß es sich um einen Erpresser handelt. Er nimmt natürlich an, daß er es mit derselben Person zu tun hat, die ihm auch den Brief geschrieben hat, erklärt sich grundsätzlich einverstanden zu zahlen, macht aber zur Bedingung, daß er selbst Zeit und Ort der Übergabe des Geldes bestimmen könne. Zum verabredeten Zeitpunkt fährt er mit Ihnen nach Oxford. Als Sie sich der Woodstock Road nähern, ducken Sie sich, um von dem Erpresser, falls er den Ort, an dem das Geld deponiert werden soll, unter Beobachtung hält, nicht gesehen zu werden. Ihr Bruder parkt den Wagen im Field House Drive, einer dunklen kleinen Nebenstraße. Sie steigen vorsichtig aus und halten sich zunächst im Schatten des Wagens. Ihr Bruder geht, um das Geld zu hinterlegen; Sie warten noch eine Weile, nehmen dann das Klapprad Ihres Bruders, das er für Sie aus dem Kofferraum geholt hat, und fahren langsam damit die Woodstock Road hinauf. Sie sehen einen Mann hinter der Telefonzelle hervorkommen. Das muß der Erpresser sein! Mit Erleichterung stellen Sie fest, daß er auch mit dem Rad unterwegs ist, und folgen ihm nach Jericho. Später treffen Sie sich an einem vorher verabredeten Ort mit Ihrem Bruder und berichten ihm …«
    »Am Martyrs’ Memorial.«
    »Sie geben also zu, daß es so war, wie ich es eben geschildert habe?«
    »Ja, natürlich. Nur, daß das Klapprad mir gehört.«
    »Selbst der Beste macht mal einen kleinen Fehler.«
    »Na, erzählen Sie erst mal weiter. Ich habe den Verdacht, daß das nicht Ihr einziger Fehler bleiben wird.«
    »Das wird sich ja herausstellen, Sir«, sagte Morse höflich. »Was ich eben beschrieben habe, war erst die Generalprobe. Zwei Tage später, am Freitag, kam dann die richtige Vorstellung. Ihr Bruder mußte an diesem Abend vor der Oxforder Literarischen Gesellschaft einen Vortrag halten. Sie fuhren mit ihm nach Oxford, und irgendwo in Jericho ließ er Sie aussteigen. Sie verabredeten, daß er Sie so gegen Viertel nach zehn am selben Ort wieder abholen würde.«
    Richards schüttelte energisch den Kopf und hob abwehrend die Hand. »Hören Sie, Inspector, das sind alles

Weitere Kostenlose Bücher