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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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schon.«
    »Wie?« (So schlecht war die Leitung doch nun auch nicht!)
    »Sie kannten doch Anne Scott.«
    »Ja, das stimmt. Aber ich verstehe nicht ganz, was das mit Ihren Mordermittlungen …«
    »Jackson wohnte im Haus gegenüber.«
    »Ach?«
    »Sie und Anne waren miteinander befreundet?«
    »Ja.«
    »Enger, als vielleicht angebracht war?«
    »Ja, das könnte man wohl so sagen«, bestätigte Richards leise.
    »Sie haben sie ab und zu in Jericho besucht?«
    »Nein, nie!«
    »Aber sie hat sich, nachdem Sie nach Abingdon gezogen sind, bei Ihnen gemeldet?«
    »Sie hat mir geschrieben, ja. Aber nichts Persönliches. Sie fragte im Auftrage der Oxforder Literarischen Gesellschaft bei mir an, ob ich einen Vortrag halten wolle … aber das wissen Sie ja. Ich schrieb ihr zurück, daß ich einverstanden sei. Das war alles.«
    »Wieso hat sie eigentlich von Ihrem Umzug nach Abingdon gewußt?«
    »Hören Sie, Inspector, warum schleichen Sie wie eine Katze um den heißen Brei herum? Was Sie wissen wollen, ist doch, ob ich ein Verhältnis mit ihr gehabt habe. Und die Antwort ist: Ja. Ich habe Anne einmal sehr geliebt und eine Zeitlang sogar überlegt, ob ich mich ihretwegen scheiden lassen solle. Die Dinge haben sich dann jedoch anders entwickelt. Anne hat die Firma verlassen, und unsere Beziehung verlief in ruhigeren Bahnen.«
    »Was meinen Sie mit ›ruhigeren Bahnen‹?«
    »Wir haben uns nur noch geschrieben.«
    »Aber doch wohl keine Briefe im Stil von ›Mir geht es gut, wie geht es Dir‹?«
    Richards zögerte, und Morse hörte, wie er tief Luft holte. »Ich sagte Ihnen doch schon, Inspector, ich habe Anne sehr geliebt.«
    »Und sie – hat sie Sie auch geliebt?«
    »Lange Zeit ja.«
    »Haben Sie eine Erklärung dafür, warum sie Selbstmord begangen hat?«
    »Nein.«
    »Wissen Sie zufällig noch, wo Sie sich am Nachmittag des 3. Oktober aufgehalten haben?«
    »Ja. Ich las die Nachricht von ihrem Tod in der Oxford Mail …«
    »Dann sagen Sie mir bitte, wo.«
    »Darüber möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft geben. Wenn es wirklich notwendig sein sollte, bin ich selbstverständlich bereit, den Namen …«
    »Demnach bestreiten Sie also, daß Sie sich am fraglichen Nachmittag in Jericho aufgehalten und Ihr Auto Victor/Ecke Canal Street geparkt hatten?«
    »Ganz entschieden sogar.«
    »Und wenn ich es nun beweisen kann?«
    »Den Beweis möchte ich erst einmal sehen, Inspector!«
    »Na schön, vergessen wir das mal; das ist im Moment auch nicht so wichtig«, sagte Morse und räusperte sich verlegen, »aber ich muß darauf bestehen, daß Sie mir den Namen der Person nennen, mit der Sie am Nachmittag des 3. Oktober zusammengewesen sein wollen. Sie müssen schon Verständnis haben, daß …«
    »Also gut, Inspector. Aber ich bitte Sie dringend, die Angelegenheit mit äußerster Diskretion zu behandeln.«
    »Ich denke, das kann ich Ihnen zusichern.«
     
    Morse rief die junge Frau sofort an. Ihr Ton war zunächst freundlich und entgegenkommend, wurde jedoch zunehmend kühler, als sie begriff, worum es ging. Anfangs weigerte sie sich, ihm überhaupt zu antworten, gab dann aber, wohl weil sie einsah, daß es keinen Zweck hatte, nach. Ja, Richards sei am Nachmittag des 3. bei ihr gewesen. Was sie gemacht hätten? Also – wirklich! Aber wenn er es unbedingt wissen müsse: sie seien miteinander im Bett gewesen. Wie lange? Das war ja wohl ihre Sache, oder? Aber bitte, wenn er darauf bestand: von halb zwölf Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags. Ob er vielleicht noch nähere Einzelheiten wissen wolle? Morse blieb höflich, bedankte sich für ihre Auskünfte und hängte ein. Fünfeinhalb Stunden! Er seufzte. Wie sie wohl aussehen mochte, diese Mrs Jennifer Hills? Ihre Stimme hatte jedenfalls aufregend geklungen – sehr weiblich, sehr temperamentvoll. Sie wohnte in Radley, ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Oxford und Abingdon. Praktisch! Er würde sich vorsichtshalber ihre Adresse notieren. Im Interesse möglicher weiterer Ermittlungen – und auch im eigenen Interesse. Jennifer Hills – wieder ein Teil des neuen Bildes, das sich allmählich in seiner Vorstellung auszuformen begann, stückweise und ohne daß man vorher wußte, was am Ende daraus wurde. Fast wie bei den Malvorlagen für Kinder, bei denen man die verschiedenen Bildausschnitte nach Anweisung rot, grün, gelb und so weiter ausmalen mußte und dann auf einmal den ›Sonnenaufgang in der Bucht von Galway‹ vor sich sah – oder aber ›Donald Duck und

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