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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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noch nicht, wie deine Wette lautet, Max«, sagte Morse mit seiner sanftesten Stimme.
    Der Pathologe dachte einen Augenblick nach. »Also – aber nur ganz inoffiziell – ich würde sagen … nein, Moment! Du hast eine Marge von einer halben Stunde, nicht? Na gut, dem schließe ich mich an. Ich behaupte: zwischen Viertel nach acht und Viertel vor neun. Damit liegen wir genau um eine Stunde auseinander.«
    »Wie hoch?«
    »Ein Zehner?«
    »Abgemacht!« Sie schüttelten sich die Hände. Der Arzt nahm seine Tasche und ging.
    »Ich bin ja mal gespannt, wer die Wette gewinnt«, sagte Bell, aber Morse antwortete nicht darauf. Bell nahm an, er sei schon wieder in sein Pornomagazin vertieft. Tatsächlich fühlte Morse sich aber durch die kruden, drastischen Fotos, die der Phantasie überhaupt keinen Spielraum mehr ließen, schon längst angeödet und blätterte nur noch rein mechanisch in dem Heft, während er sich in Gedanken mit dem Mord an Jackson beschäftigte. Die Untersuchung des Tatorts hatte nicht viel gebracht: Die Tatwaffe hatte sich nicht angefunden, und die Fingerabdrücke, die man entdeckt hatte, stammten alle von Jackson selber. Morse stellte sich vor, wie sich die Sache für Bell ausnehmen würde: Ein eindeutiger Mord, Motiv und Täter unbekannt. Er selbst sah da ja zum Glück ein ganzes Stück klarer. Für ihn war der Mord, kaum daß er zum Fall geworden war, ja schon gelöst gewesen: er kannte die Tatzeit und den Tathergang, konnte das Motiv nennen – und sogar den Namen des Mörders! Bell tat ihm fast leid.
    Zehn Minuten später kehrte Walters, der von Bell losgeschickt worden war, sich in der Nachbarschaft umzuhören, von seinem Erkundungsgang zurück und erstattete Bericht.
    Jackson war am Abend noch gesehen worden: um halb sechs hatte er in der Bäckerei an der Ecke ein kleines Graubrot gekauft, um Viertel vor sieben war er bei Mrs Purvis gewesen und hatte die Spülung ihres WCs reguliert; um kurz nach acht schließlich …
    »Was?!« Morse war erregt aufgesprungen.
    »… um kurz nach acht tauchte er im Printer’s Devil auf und trank zwei Bier …«
    »Blödsinn! Kompletter Blödsinn!«
    »Aber es gibt mindestens ein Dutzend Leute, die ihn gesehen haben, Sir! Er war wirklich da. Er hat ein bißchen am Automaten gespielt und ist gegen zwanzig nach acht wieder gegangen.«
    Morse sackte auf den nächsten Stuhl. Er war völlig fertig. Alle seine Annahmen waren also falsch. Alle? Alle! Denn wenn Jackson tatsächlich nach acht Uhr noch im Printer’s Devil gesehen worden war, dann kam Charles Richards als Mörder nicht in Frage.
    »Den Zehner bist du los, Morse«, sagte Bell und zeigte nicht die Spur von Mitgefühl.
     

Kapitel Neunzehn
     
    Alibi (lat. alibi, anderswo);
    Nachweis der Abwesenheit
    vom Tatort zur Tatzeit
    Konversationslexikon
     
    Weder ein Richards (C.) noch eine Richards Publishing Company waren im Telefonbuch verzeichnet, und Morse fragte sich, was zum Teufel das zu bedeuten habe, als ihm plötzlich einfiel, daß Richards ja erst vor drei Monaten nach Oxfordshire gekommen war – da konnte es natürlich noch keinen Eintrag geben! Er rief die Auskunft an und erhielt zwei Nummern: die von Richards, C., 261 Oxford Avenue, Abingdon, und die der Richards Press, 14 White Swan Lane, Abingdon. Morse versuchte es zuerst unter der Geschäftsnummer. Eine weibliche Tonbandstimme teilte ihm mit, daß im Augenblick leider niemand zu erreichen sei und er sein Anliegen dem Band anvertrauen möge. »Bitte warten Sie den Signalton ab.« Er legte auf und wählte die zweite Nummer. Er hatte Glück. Richards war selbst am Apparat.
    »Was kann ich für Sie tun, Inspector? Ich nehme an, es handelt sich nicht um einen Druckauftrag oder ähnliches?«
    »Nein, Sir. Ich wollte Sie fragen, ob Sie schon gehört haben, was sich gestern abend in Jericho ereignet hat.«
    »Nein. Da bin ich aber neugierig. Hat mein kleiner Vortrag die Zuhörermassen derart ergriffen, daß es hinterher noch zu Tumulten gekommen ist?«
    »In Jericho wurde gestern abend ein Mann ermordet.«
    »So.« Morse runzelte die Stirn – hatte da ein Fragezeichen mitgeklungen oder nicht? Durch das Rauschen in der Leitung hatte er den Tonfall nicht genau gehört. »Sein Name war Jackson. George Jackson. Ich dachte, daß Sie ihn möglicherweise gekannt haben.«
    »Da muß ich Sie leider enttäuschen, Inspector. Ein Mr Jackson aus Jericho ist mir nicht bekannt. Ich kenne überhaupt niemanden in Jericho.«
    »Jetzt vielleicht nicht mehr, aber früher

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