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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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übersehen hätten. Aber ich komme einfach nicht darauf, was es sein könnte.«
     

Kapitel Einundzwanzig
     
    Ernannt schon hab ich meinen Offizier.
    Shakespeare, Othello, 1. Akt, 1. Szene
     
    Bell hatte sich längst daran gewöhnt, wenn nötig, auch sonntags zu arbeiten, und es machte ihm nicht mehr viel aus. Doch als er an diesem Nachmittag in seinem Büro saß, haderte er doch etwas mit seinem Los, weil er das Gefühl hatte, daß er seine Zeit zu Hause sinnvoller hätte verbringen können, zum Beispiel um auf dem ohnehin schändlich vernachlässigten Rasen endlich das Herbstlaub zusammenzuharken. Zwar trafen immer noch neue Berichte ein, doch es ließ sich nichts Rechtes damit anfangen. Man hatte inzwischen ein paar Verwandte von Jackson ausfindig gemacht, entfernte Vettern und Cousinen, die ihn aber seit Jahren nicht gesehen hatten und nichts über ihn sagen konnten. Auch eine Befragung der Nachbarn und früheren Arbeitskollegen hatte kaum etwas gebracht. Gehässig und mißgünstig, wie Jackson gewesen war, hatte keiner engeren Kontakt zu ihm haben wollen. Bell hatte an diesem Nachmittag genug Muße, noch einmal in Ruhe über den Fall nachzudenken. Was sie bisher wußten (oder doch glaubten zu wissen), war dies: am vergangenen Freitag war Jackson zwischen halb neun und neun Uhr von jemandem aufgesucht worden, der versucht hatte, ihn zu überreden, eine ganz bestimmte Sache, die sich in seinem Besitz befand und auf die der Unbekannte offenbar großen Wert legte, herauszugeben. Jackson mußte sich geweigert haben, denn aus dem anfänglich wohl vergleichsweise friedlichen Gespräch war bald eine gewalttätige Auseinandersetzung geworden. Der Unbekannte hatte Jackson gepackt und geschlagen (davon zeugten seine Gesichtsverletzungen) und dabei war Jackson mit dem Kopf an den Bettpfosten geprallt … Der Mann (es war doch wohl ein Mann!?) hatte Jackson in seinem Blut liegenlassen und begonnen, das Haus zu durchsuchen. Der Tathergang war also einigermaßen klar; doch sie wußten weder, was der Mann gesucht hatte, noch wer er war. Und da es nicht einmal eine Beschreibung seiner Person gab … Bell hatte inzwischen erfahren, daß am Freitag abend zur fraglichen Zeit im Fernsehen die Wahl zur ›Miss World‹ übertragen worden war. Da hatten sie in Canal Reach natürlich alle vor der Glotze gehockt, und es hätte schon ein Gerät explodieren müssen, um die Leute vom Fernseher weg ans Fenster zu locken. Der arme Jackson hatte das Ende der Miss-Wahlen nicht mehr erlebt und sich statt dessen unerwartet plötzlich dem eigenen Ende gegenübergesehen.
    Walters hatte am Sonntag ebenfalls Dienst und schaute bei Bell herein, um ihm seine eigenen Theorien über den Fall zu unterbreiten. Er sei der Ansicht, so Walters im Brustton der Überzeugung, daß der Fall Jackson nur in Verbindung mit dem Fall Scott gelöst werden könne. Bell hörte ihm zu und erwiderte dann ungnädig, er brauche sich auf seine Erkenntnisse nichts einzubilden, so weit sei er selber schon gekommen. Walters sah, daß Bell müde war, außerdem schien er von dem Fall die Nase voll zu haben. Es war wohl klüger, den Mund zu halten. Am besten ging er gleich wieder, doch in der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ist Ihnen aufgefallen, Sir, daß wir in Jacksons Haus kein einziges Buch gefunden haben?«
    »Was Sie nicht sagen«, erwiderte Bell gelangweilt.
     
    Mr Parkes war an diesem Nachmittag glücklich. Eine Sozialarbeiterin vom Ferry Centre war überraschend vorbeigekommen und hatte ihm einen Kuchen gebracht. Zu Tränen gerührt über soviel Aufmerksamkeit, hatte er sie ins Haus gebeten und ihr einen Sherry kredenzt. Sich selbst hatte er auch ein Glas eingeschenkt. Es war Jahre her, daß jemand an seinen Geburtstag gedacht hatte. Nachdem sie gegangen war, goß er sich noch einmal neu ein und setzte sich in seinen bequemsten Sessel, um das Glücksgefühl der letzten halben Stunde noch etwas in sich nachwirken zu lassen. Woher sie wohl gewußt hatten, daß heute sein Geburtstag war? Plötzlich runzelte er die Stirn. Geburtstag – aber natürlich! Das war es, worüber sie sich auf dem Bridgeabend vor drei Wochen, als sie eine Pause eingelegt hatten, um auf das einjährige Bestehen des Clubs anzustoßen, geredet hatten. Es war zwar keine großartige Information – aber der junge Constable und später der Inspector hatten ihm so nachdrücklich eingeschärft, daß er sich auf jeden Fall melden solle, wenn ihm noch etwas einfalle … Er wählte die Nummer des

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