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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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ich gern mit Ihnen geklärt hätte.«
    »So? Na, dann schießen Sie mal los. Was du heute kannst besorgen …«
    »Ich möchte Sie eigentlich lieber persönlich sprechen. Am Telefon ist das so eine Sache …«
    »Da bin ich, ehrlich gesagt, nicht ganz Ihrer Meinung.«
    Das konnte Morse gut verstehen. Sein Wunsch entsprach auch mehr pragmatischen als prinzipiellen Erwägungen. »Nun, die Dinge, um die es geht, sind, nun sagen wir mal, delikater Natur. Ich glaube wirklich, daß es auch in Ihrem eigenen Interesse liegt, wenn wir uns sehen.«
    »Wie Sie wünschen.«
    »Wäre Ihnen morgen recht?«
    »Ja, das ginge.«
    »Gegen zehn?«
    »Gut.«
    »Gibt es bei Ihnen vor dem Verlag einen Parkplatz?« Die Frage klang unschuldig genug.
    »Sie können hinten bei uns auf dem Hof parken. Da müßte eigentlich etwas frei sein.« Richards lachte. »Kann sich ja manchmal ganz schön schwierig gestalten, so eine Parkplatzsuche.« Es klang nicht weniger unschuldig.
     
    Draußen an der Kneipentür prangte die Inschrift Verwe i let in Jericho, bis euch Bärte gewachsen sind! Joe Morley, ein alter Stammgast, hievte sich, unter seiner Leibesfülle ächzend, auf einen der hohen Hocker vor dem Tresen. Bei seinem Eintreten hatte der Wirt, ohne die Bestellung abzuwarten, gleich angefangen, ein Guinness zu zapfen.
    »Na, wie geht’s denn so, Joe?«
    »Wie soll’s gehen.«
    »Bei euch in der Straße lebt sich’s ja gefährlich, nach allem, was man so hört.«
    Joe wischte sich den Schaum von den Lippen. »Du meinst die Sache mit George?«
    »Du hast ihn doch ziemlich gut gekannt, oder?«
    »Den kannte keiner gut. Der war ein Einzelgänger. Merkwürdiger Typ, wenn du mich fragst. Aber vom Angeln hatte er Ahnung.«
    »Na, und zum Angeln braucht man ja eine ganze Menge Geduld, die scheint er wohl gehabt zu haben, wenn man sich sein anderes Hobby so ansieht.«
    »Was für ein anderes Hobby?«
    »Leute beobachten. Die Frau von gegenüber zum Beispiel. Die, die sich neulich umgebracht hat. Er soll immer mit einem Fernglas am Fenster gestanden haben.«
    »Woher weißt du das?«
    »Mrs Purvis hat es dem alten Len erzählt – du weißt doch, der mit dem Holzbein. Aber sie war ja auch selber schuld. Soll im Schlafzimmer nicht mal Vorhänge gehabt haben.«
    »Da gab’s bestimmt hübsch was zu sehen für ihn.«
    Der Wirt beugte sich mit dem Oberkörper etwas nach vorn.
    »Und soll ich dir noch was sagen? Der George hat mit seinen Gelegenheitsjobs ganz schön Knete gemacht. Letzten Donnerstag hat er bei Barclay’s zweihundertfünfzig Pfund auf sein Konto eingezahlt.«
    »Woher weißt du denn das nun schon wieder?«
    »Du kennst doch den alten Alf, der immer herkommt. Na, und seine Frau, die hat eine Schwester, die da arbeitet. Und die hat ihr erzählt …«
    Ein paar Jugendliche kamen herein, und der Wirt griff hinter sich und reichte ihnen zwei Sätze Darts. »Für jeden ein Lager, wie immer?«
    Der ältere Mann, der allein an einem Tisch gesessen hatte, stand auf, um für die Dartsspieler Platz zu machen. Allmählich bekam er Hunger. Um diese Zeit saß er sonst zu Hause am Abendbrottisch, doch Morse war, nachdem er die Liste der in Frage kommenden Pubs zusammengestellt hatte, der Ansicht gewesen, man müsse möglichst gleich, wenn sie öffneten, zur Stelle sein, da dies die Zeit sei, wo einerseits noch ein bißchen Muße sei für etwas Klatsch und Tratsch, andererseits der Lärmpegel niedrig genug sei, daß man diesen Klatsch auch aus einiger Entfernung noch belauschen könne, ohne den Leuten gleich auf die Pelle rücken zu müssen. »Sie holen sich ein Bier, und dann sperren Sie die Ohren auf«, hatte Morse erklärt. »Ich wette, daß der Mord an Jackson noch das Tagesgespräch Nummer eins ist.«
    Diese Vermutung schien jedoch nicht zuzutreffen. In seiner Gegenwart drehten sich die Gespräche um Darts, Fußball und den gerade angehobenen Bierpreis. Der Name Jackson fiel nicht ein einziges Mal. Seine Ermordung war nur eine aufregende, etwas verstörende Unterbrechung gewesen, und jetzt ging das Leben wieder seinen gewohnten Gang – nur, daß Anne Scott und George Jackson daran nicht mehr teilhatten. Aber das war in Jericho kein Thema mehr.
    Als Morse gegen neun Uhr abends ziemlich angeheitert noch einmal im Präsidium vorbeischaute, fand er in seinem Büro einen Bericht vor. Er hatte darauf bestanden, daß die Leute von der Spurensicherung sich Jacksons Haus noch einmal vornahmen. Und sie hatten, beinahe wider Erwarten, Erfolg gehabt. Im

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