Die Toten Von Jericho
Das Bett ist schnell gemacht, und ich habe zwei Theaterkarten.«
Nach einer Weile sah Celia auf und lächelte ihrer Schwester verloren zu. »Ach, Betty, ich bin so froh, daß ich hierherkommen kann. Aber ich glaube, ich möchte wirklich nicht darüber sprechen.«
Kapitel Siebenundzwanzig
Die Zeit ist aus den Fugen.
Shakespeare, Hamlet, 1. Aufzug, 5. Szene
Obwohl Morse nachdrücklich die Ansicht vertrat, daß ein Mittagessen in flüssiger Form die unübertroffen beste Nahrung für die Gehirnzellen sei, beharrte Lewis unbelehrbar auf Chips mit Würstchen und Ei – zum Bier, versteht sich. »Könnte man eigentlich sagen, daß wir einen Fortschritt gemacht haben, Sir?« fragte er zwischen zwei Bissen.
»Fortschritt? Aber natürlich! Fortzuschreiten, Lewis, ist das Gesetz des Lebens. Man schreitet selbst dann fort, wenn man rückwärts geht, so paradox das klingen mag. Aber ich nehme an, Ihre Frage bezog sich auf unsere Ermittlungen. Was die angeht, so kann ich Ihnen erfreulicherweise dieselbe Antwort geben, ja, es geht voran!«
»Wirklich?«
»Wirklich! Ich denke, Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, daß wir mittlerweile ein ziemlich klares Bild davon haben, wie sich die beiden Todesfälle ereignet haben – sowohl der Selbstmord von Miss Scott als auch der Mord an Jackson. Wir wissen, daß Miss Scott am Abend vor ihrem Tod zum Bridgespiel in ihren Club ging. Vermutlich ist sie schon seit längerer Zeit psychisch in keiner guten Verfassung, vielleicht fühlt sie sich der Schwangerschaft nicht gewachsen, und dann geschieht etwas. Vielleicht macht irgend jemand eine Äußerung, die sie den Entschluß fassen läßt, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sie schreibt eine Nachricht an Edward Murdoch, daß der Unterricht am morgigen Mittwoch ausfallen müsse. Gegen drei Uhr ist sie zu Hause, und wir können nur ahnen, wie sie die letzten Stunden zugebracht haben mag – grübelnd, ihren Entschluß noch einmal abwägend, vielleicht in Gedanken Abschied nehmend. Als sie am nächsten Morgen mit der Post den Brief erhält, der ihr bestätigt, daß sie schwanger ist, ist dies vermutlich nur noch der allerletzte Anstoß. Sie nimmt sich den Strick, den sie in der Nacht zuvor aus Bindfäden geknüpft hat, knotet eine Schlinge und steigt auf einen Schemel …
Und jetzt kommt Jackson ins Spiel. Er hat für Anne Scott am Montag und Dienstag nachmittag Ausbesserungsarbeiten an ihrer Gartenmauer vorgenommen. Wie wir von ihm selbst wissen, hat er aber nicht gleich daran gedacht, die Schlüssel zurückzugeben. Als ich mich am Samstag abend bei Anne Scott umsah, bemerkte ich draußen vor der Gartenmauer eine Kelle und ein Mörtelbrett. Ich kann mir gut vorstellen, was geschah: Jackson fällt im Laufe des Mittwoch ein, daß er die Sachen bei ihr vergessen hat. Aber das ist nicht weiter schlimm; er kann ja rübergehen, um sie zu holen. Und genau das tut er auch. Um in den Garten zu kommen, muß man durch die Küche. Jackson weiß, daß die Küchentür klemmt, drückt kräftig dagegen – und schiebt dabei den Schemel weiter, der gleich hinter der Küchentür steht oder auch liegt, denn wahrscheinlich ist er ja umgefallen, als sie ihn mit den Füßen weggestoßen hat. Jackson betritt die Küche, hebt als erstes, ohne besonders nachzudenken, den Schemel auf, und dann, als er sich umdreht, sieht er sie dort hängen. Das Nächstliegende wäre gewesen, entweder uns zu informieren oder aber eine Unfallambulanz zu rufen. Aber er tut weder das eine noch das andere. Die Frage ist, warum nicht. Eigentlich hat er nichts zu befürchten. Er hat schon oft in der Nachbarschaft irgendwelche Arbeiten ausgeführt, und es gibt eine Menge Leute, die bezeugen können, daß Anne Scott ihn geholt hat, damit er ihre Mauer repariert. Warum ruft er also nicht sofort an? Und die Betonung liegt auf s o fort, Lewis, denn ich bin der Überzeugung, daß der anonyme Anrufer, der uns später informiert hat, Jackson war. Aber nun zurück zu unserer Frage. Ich denke, es gibt für sein Verhalten eine einfache Erklärung. Er findet etwas; und weil er eine miese kleine Ratte ist, stiehlt er es. Anfangs war ich der Meinung, daß er Geld habe mitgehen lassen. Aber davon bin ich abgekommen. Wie Sie wissen, Lewis, fanden wir keinen Abschiedsbrief von ihr; ich halte es aber für unwahrscheinlich, daß sie, ohne eine einzige Zeile zu hinterlassen, aus dem Leben schied. Meine Erklärung wäre, daß es einen Abschiedsbrief gab – vielleicht lag er auf dem
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