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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Verlagsgebäudes betreten hatte, daß der Mann ihm sympathisch war. Er hatte ihn höflich, wenn auch reichlich vage über den Zweck seines Besuches informiert (»Wir ermitteln immer noch im Fall Jackson, und da hielten wir es für unsere Pflicht, Sie aufzusuchen«), und Richards hatte keine Einwände erhoben. Zwar schien er (wie Lewis Morse anschließend berichtete) über das Ansinnen, sich Fingerabdrücke abnehmen lassen zu sollen, etwas erstaunt, hatte aber nicht protestiert, sondern bereitwillig alle zehn Finger erst auf das Stempelkissen und dann auf die Karte gedrückt.
    »Es geschieht alles zum Zweck der Eliminierung, Sir«, sagte Lewis, der es dank Morses Vorbild inzwischen auch schon recht weit in der Kunst gebracht hatte, pompös klingende und dabei vollkommen nichtssagende Erklärungen zu liefern.
    »Ich verstehe schon, aber …«
    »Ich weiß, Sir. Es ist, weil Ihre Abdrücke jetzt aktenkundig sind, nicht? Das ist allen immer unangenehm – da sind Sie nicht der einzige.«
    Es war Richards, wie er so dastand, die Arme ausgestreckt und die Hände gespreizt wie eine Frau, die sich die Nägel gerade frisch lackiert hat, anzusehen, daß er seine Lage etwas mißlich fand.
    »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mal auf die Toilette gehe und mir die Finger wasche?«
    »Nein, das können Sie selbstverständlich tun. Ich gehe sowieso gleich. Ich habe nur noch eine Frage – reine Formalität, Sie verstehen. Können Sie mir sagen, wo Sie sich am Abend des 19. zwischen 20 und 21 Uhr aufgehalten haben?«
    Richards runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf.
    »Nein, tut mir leid. Ich kann versuchen, es herauszubekommen – vielleicht fällt es mir auch von selbst wieder, ein –, aber im Moment bin ich überfragt. Wahrscheinlich war ich zu Hause und habe gelesen, aber ich weiß es nicht sicher.« Er schüttelte wieder den Kopf, schien jedoch nicht übermäßig davon beunruhigt zu sein, daß er die Antwort schuldig bleiben mußte.
    »Sie leben allein, Sir?«
    »Ja, ich bin ein überzeugter Junggeselle.«
    »Gut – denken Sie in Ruhe noch einmal darüber nach und geben uns in den nächsten Tagen Bescheid.«
    »Das werde ich tun. Vermutlich kann ich, wenn ich richtig anfange zu überlegen, den Abend irgendwie rekonstruieren, aber das heißt ja noch immer nicht, daß ich wirklich ein hieb- und stichfestes Alibi hätte.«
    »Das haben sowieso nur die wenigsten, Sir. Damit rechnen wir gar nicht.«
    »Na, das erleichtert mich.«
    Lewis stand auf. »Ich würde übrigens gern schnell noch Ihren Bruder sprechen …«
    »Mein Bruder ist verreist, Officer. Er ist geschäftlich in Spanien und wird erst in ungefähr einer Woche wieder zurück sein.«
    »Ach so. Dann melde ich mich noch mal, wenn er wieder hier ist.«
     
    Nachdem Lewis gegangen war, saß Conrad Richards am Schreibtisch, das Kinn in die Hand gestützt, und dachte nach. Seinem Gesichtsausdruck war nichts zu entnehmen, es sei denn eine gewisse Entschlossenheit. Dann schien er zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Er zog das Telefon zu sich heran, nahm den Hörer ab und wählte eine Nummer.
     
    Derweil saß Morse frustriert und mißgelaunt neben der Kirche in Radley auf einer Bank und wartete, daß Lewis ihn abholen kam. Zwar hatte er es sich nicht recht eingestehen wollen, aber sein Besuch bei Mrs Hills war weniger dienstlich motiviert gewesen (obschon er durchaus noch einige Zweifel hegte, was das Alibi anging, das sie Charles Richards für den Nachmittag des 3. Oktober ausgestellt hatte) als aus der ganz privaten, frivolen Hoffnung, daß es sich bei ihr um eine junge, sinnliche Frau handele (Telefonstimmen konnten natürlich auch trügen!), mir der er eine angenehme halbe Stunde verbringen könnte. Aber sie war nicht dagewesen. Das Haus hatte einen abweisenden, verlassenen Eindruck gemacht, und auf sein Klingeln hatte niemand geöffnet. Von einer Nachbarin erfuhr er schließlich, daß sie gestern nachmittag verreist sei. – Er war einen Tag zu spät gekommen.
    Noch immer mit sich selbst zerfallen und trübe zu Boden starrend, bemerkte er den weißen Polizeiwagen erst, als er dicht neben ihm anhielt.
    »Na, hat sich der Besuch gelohnt, Sir?« erkundigte sich Lewis, als Morse neben ihm Platz nahm.
    »Ja, war ganz aufschlußreich«, sagte Morse in einem Ton, der Lewis signalisieren sollte, daß weitere Fragen unerwünscht seien.
    Lewis schwieg denn auch eine Weile, doch dann siegte seine Neugier, und er begann erneut: »Sieht sie gut aus?«
    »Woher soll ich das

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