Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
größeres Verständnis für den Urschlamm aufgebracht hatte, aus dem die Menschheit stammte. Elvira war ein Mann, der sogar seine Bleistifte gerade auf dem Schreibtisch ausrichtete.
Falcón erstattete mündlich Bericht über die Geschehnisse des Wochenendes und bat um diskreten Polizeischutz für Consuelo Jiménez’ Kinder, die mit ihrer Schwester bei Marbella an der Küste Urlaub machten.
»Haben Sie die Nacht bei Señora Jiménez verbracht?«, fragte Elvira.
Falcón stockte. In der Jefatura war aber auch nichts heilig. »Dies war nicht die erste Drohung seit Beginn der Ermittlungen im Fall Vega«, sagte er dann, der Frage ausweichend. »Ich habe Señora Jiménez am Samstag zum Mittagessen getroffen, und sie sagte, jemand aus der Jefatura hätte ihr diesen Umschlag für mich gegeben. Darin befand sich ein Foto.«
Elvira zog den Plastikbeutel näher heran und betrachtete die an den Stuhl gefesselte Nadja.
»Diese ukrainische Frau ist verschwunden, nachdem Sie uns bei unseren Ermittlungen geholfen hat«, sagte Falcón.
»Sonst noch was?«
»Am ersten Tag ist mir ein Wagen mit gestohlenen Nummernschildern bis vor meine Haustür gefolgt. Am zweiten Tag habe ich ein Foto meiner Ex-Frau an der Pinnwand über meinem Schreibtisch gefunden, mit einer Nadel durch den Hals.«
»Diese Russen scheinen Ihre persönliche Situation recht gut zu kennen, Inspector Jefe«, sagte Elvira. »Was unternehmen Sie wegen dieser Drohungen?«
»Ich glaube, dahinter steckt einfach die Absicht, mich unter Druck zu setzen«, sagte Falcón. »Wenn es eine anfängliche konkrete Drohung gegeben hätte, die weiterverfolgt worden wäre, wäre ich beunruhigter, aber jede der Drohungen war anders und sehr speziell auf meine Situation bezogen. Meine Aufmerksamkeit soll von dem Fall Vega auf etwas anderes gelenkt werden.«
»Sie sind also nicht versucht, Aufgaben und Ressourcen umzuverteilen?«
»Wenn Sie damit meinen, ob ich die Verantwortung dafür übernehme, dass ich die wenigen mir zur Verfügung stehenden Kräfte weiterhin auf den Vega-Fall konzentriere, dann lautet die Antwort ja.«
»Nur interessehalber, haben Sie Señora Jiménez aus Ihren Ermittlungen ausgeschlossen?«
»Wir haben weder einen Verdächtigen noch einen Zeugen noch ein Motiv.«
»Und noch etwas… Pablo Ortega – ich habe gehört, Sie sind mit einer Psychologin zu ihm gefahren in der Absicht, seinem Sohn zu helfen. Sie hat Sie auch ins Gefängnis begleitet. Gibt es irgendeinen Zusammenhang zwischen diesem Fall und dem Tod der Vegas?«
Falcón rutschte schweigend auf seinem Stuhl hin und her.
»Inspector Jefe?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber Sie glauben, da ist… irgendwas?«
»Das braucht weitere Arbeit«, sagte Falcón, »und das bedeutet mehr Zeit.«
»Wir vertrauen auf Ihre Fähigkeiten und unterstützen Sie in Ihrem Vorgehen«, sagte Elvira, »solange Sie nichts unternehmen, was die Truppe in Misskredit bringen könnte. Ich werde die Jefatura in Málaga anrufen und dafür sorgen, dass ein Beamter ein Auge auf Señora Jiménez’ Schwester und die Kinder hat.«
Auf dem Weg zurück in sein Büro ging Falcón eine Bemerkung von Elvira nicht aus dem Sinn: Diese Russen scheinen Ihre persönliche Situation recht gut zu kennen. Wohl wahr. Aber woher?
»Haben Sie Pablo Ortegas Handy gefunden?«, fragte Falcón Cristina Ferrera, als er an ihrem Schreibtisch vorbeikam.
»Ich gehe gerade die Liste der Nummern durch«, sagte sie. »Auf dem Festnetztelefon hat er offenbar nur Anrufe angenommen. Wenn er selbst telefoniert hat, hat er meistens das Handy benutzt.«
»Ich will wissen, mit wem er in den Stunden vor seinem Tod gesprochen hat«, sagte Falcón.
»Was ist mit dem Schlüssel aus Vegas Tiefkühlschrank?«, fragte Ramírez.
»Darum kann sich Cristina anschließend kümmern«, sagte Falcón. »Was ist mit Vegas Ausweis?«
»Das dauert. Sie haben ihn so weit wie möglich per Computer zurückverfolgt und gehen jetzt die von Hand geführten Register durch.«
»Und die Argentinier?«, fragte Falcón von seinem Schreibtisch aus, während er Vázquez’ Nummer wählte.
»Die Botschaft ist wegen der Ferien unterbesetzt«, sagte Ramírez, der Falcón in sein Büro gefolgt war. »Sie haben die Angaben nach Buenos Aires geschickt.«
Falcón zeigte ihm das Foto von Nadja Kuzmikova. Ramírez schlug mit der Faust gegen die Wand.
»Irgendjemand hat Consuelo Jiménez in einem Restaurant einen Umschlag gegeben und sie gebeten, ihn mir auszuhändigen«, sagte Falcón
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