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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Lass uns versuchen, es für den Rest des Tages zu vergessen.«
    »Na, ich bin jedenfalls froh, dass du zurück bist«, sagte sie. »Ich war gerade dabei, in eine Sonntagsdepression zu verfallen. Du hast mich in meiner Lektüre über Russland unterbrochen. Nein, das stimmt nicht ganz. Ich habe die Nachrichten eingeschaltet, um nicht über Russland nachzudenken, und bin in den Waldbrand geraten, was auch nicht geholfen hat. Dieses Geräusch. Ich habe nie zuvor das Geräusch einer Feuersbrunst gehört, Javier. Es war wie eine Bestie, die durchs Unterholz bricht.«
    »Der Waldbrand in der Sierra de Aracena?«
    »Er hat schon über 2500 Hektar verwüstet, und der Wind facht das Feuer weiter an«, sagte sie. »Die Feuerwehrleute sagen, es wäre Brandstiftung gewesen. Man fragt sich, was solche Menschen antreibt.«
    »Erzähl mir von Russland. Russland interessiert mich.«
    »Es ging eher um Statistiken.«
    »Das ist das Schlimmste an den Nachrichten«, sagte Falcón. »Ich glaube, Redakteure haben eine eiserne Regel: ›Wenn es auch keine Geschichte gibt, eine Statistik gibt es immer.‹ Sie wissen, dass unsere Fantasie den Rest erledigt.«
    »Es geht um russische Statistiken«, sagte sie und las weiter. »Die Zahl der unehelich geborenen Kinder hat sich zwischen 1970 und 1995 verdoppelt. Das heißt, dass 1997 ein Viertel aller Kinder unehelich war, geboren von allein stehenden Müttern, die sich nicht selbst ernähren und gleichzeitig auf ihre Kinder aufpassen konnten, weshalb sie die Kinder verlassen haben. Im Dezember 2000 lebten nach Schätzung der orthodoxen Kirche zwischen zwei und fünf Millionen Kinder allein auf der Straße.«
    »Ah, verstehe, deine Obsession mit Kindern«, sagte Falcón. »Zwei bis fünf Millionen.«
    »Und nun zur einzig guten Zahl der Statistik. Die Geburtenrate in Russland ist beinahe die niedrigste in der ganzen Welt. Beinahe. Und dann wurde mir klar, warum dieser Artikel in einer spanischen Zeitung erschien, denn das einzige Land, dessen Geburtenrate noch niedriger ist als Russlands…«
    »…ist Spanien«, ergänzte Falcón.
    »Deshalb war dein Timing ja so perfekt«, sagte Consuelo. »Ich war gerade dabei, in sonntägliche Melancholie darüber zu verfallen, dass die ganze Welt verkehrt läuft.«
    »Ich weiß eine vorübergehende Lösung für die Krise der Welt.«
    »Sag’s mir.«
    »Manzanilla. Schwimmen. Paella. Rosado. Und eine lange Siesta bis Montag früh.«

    Mitten in der Nacht wachte er auf, verstört von einem lebhaften Traum. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen von etwa zwölf Jahren, von denen er wusste, dass sie Geschwister waren, waren auf ihn zugekommen. Zwischen ihnen ging ein Totemvogel mit einer beängstigenden Maske. Als sie sich trafen, erklärte der Vogel: »Ich brauche diese beiden Leben.« Im Gesicht der Kinder stand unerträgliches Leid, doch Falcón fühlte sich machtlos, ihnen zu helfen. Zuerst glaubte er, dass dieser Traum ihn geweckt hätte, bis er hörte, dass der Fernseher im Erdgeschoss lief. Stimmen sprachen Englisch mit amerikanischem Akzent. Neben ihm schlief Consuelo fest.
    Der Fernseher flimmerte in der Dunkelheit, als er das Wohnzimmer betrat. Er schaltete ihn mit der noch warmen Fernbedienung aus und bemerkte, dass die Schiebetür zum Pool im Garten etwa einen halben Meter offen stand.
    Als er das Licht anmachte, kam Consuelo im Halbschlaf die Treppe hinunter.
    »Was ist los?«
    »Der Fernseher war an«, sagte Falcón. »Hast du die Tür aufgelassen?«
    Consuelo war mit einem Mal hellwach und riss die Augen auf. Sie zeigte mit dem Finger auf etwas und schrie.
    Er folgte der Richtung ihres Fingers. Auf dem Couchtisch lag ein Foto ihrer Kinder. Irgendjemand hatte ein großes rotes Kreuz auf den Glasrahmen gemalt.

ZWANZIG
    Montag, 29. Juli 2002
    A uf dem Weg zur Jefatura hörte er in den Nachrichten, dass der Wald bei Almonaster la Real immer noch brannte. Windböen von bis zu fünfzig Stundenkilometern machten die Aufgabe der Feuerwehrleute nicht leichter. Sie mussten das Feuer brennen lassen, an eine Rettung des Waldes war nicht zu denken.
    In der Jefatura ging er direkt ins Vorzimmer seines unmittelbaren Vorgesetzten Comisario Elvira, und die Sekretärin führte ihn hinein. Elvira saß an seinem Schreibtisch, ein kleiner, pingeliger Mann mit einem bleistiftdünnen Schnurrbart und schwarzen Haaren, die er mit ähnlicher Präzision gescheitelt hatte wie der Premierminister. Er war ein komplett anderer Typ als sein Vorgänger Andrés Lobo, der

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