Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Sammlung.«
Falcón schnaubte, als er an Ignacios vorgebliches Desinteresse dachte.
»Und warum haben die Brüder sich zerstritten?«, fragte Ramírez.
»Ich setze nur die juristischen Dokumente auf«, sagte Ranz Costa. »Ich mische mich nie in…«
Er beendete den Satz nicht, denn die beiden Gesetzeshüter hatten sein Büro schon verlassen.
Auf dem Weg ins Erdgeschoss rief Falcón Ignacio an, um ihn an die Identifikation der Leiche zu erinnern. Anschließend sprach er kurz mit Inspector Jefe Montes und sagte, dass er am späten Vormittag gerne kurz vorbeischauen wollte, um über die beiden Russen zu sprechen, die er am Freitagabend erwähnt hatte. Montes sagte, Falcón könne jederzeit kommen, er sei im Büro.
Falcón fuhr Ramírez zurück in die Jefatura. Felipe sollte die Staubproben analysieren, während Ramírez das Hostal residencia in Fuenteheridos überprüfte. Danach fuhr Falcón zum Instituto Anatómico Forense.
Ignacio Ortega und Falcón standen in einem Raum mit einer von einem zugezogenen Vorhang verdeckten Scheibe und warteten schweigend, dass Ortegas Leiche aus der Leichenhalle hergebracht wurde, während der Médico Forense die Formulare vorbereitete.
»Was sagten Sie, wann Sie zuletzt mit Ihrem Bruder gesprochen haben?«, fragte Falcón.
»Am Abend vor meiner Abreise«, sagte er.
»Pablos Mobiltelefongesellschaft hat uns darüber informiert, dass Sie am Abend seines Todes zwölf Minuten lang mit ihm telefoniert haben. Können Sie mir das erklären, Señor Ortega?«
Ignacio blickte schweigend auf den geschlossenen Vorhang.
»Ranz Costa hat uns erzählt, dass Pablo vor seinem Tod sein Testament geändert hat. Wissen Sie, welche Änderungen er vorgenommen hat?«
Ignacio nickte.
»War das Gegenstand Ihres Telefonats am Freitagabend?«
Ignacios Kopf rührte sich nicht.
»Ich war überrascht, dass Sie sich anscheinend mehr Sorgen darüber gemacht haben, ob Ihr Bruder Ihnen einen Brief hinterlassen und was er an Sebastián geschrieben hat, als über den Selbstmord an sich«, sagte Falcón, der entschieden hatte, dass man den Mann wütend machen musste.
»Sie haben kein Recht, so mit mir zu reden«, entgegnete Ignacio auch gleich wie von der Tarantel gestochen. »Ich bin keiner von Ihren Verdächtigen. Sie sind genauso neugierig wie ich, warum er es getan hat, aber Sie haben kein Recht, Ihre Nase in meine Familienangelegenheiten zu stecken, solange Sie nicht beweisen können, dass ich in irgendeiner Weise für den Tod meines Bruders verantwortlich bin.«
»Beim letzten Mal haben Sie gelogen, als ich gefragt habe, wann Sie zuletzt mit Ihrem Bruder gesprochen haben«, sagte Falcón. »Kommissare mögen es nicht, wenn man sie anlügt. Wir werden misstrauisch und denken, dass Sie etwas zu verbergen haben.«
»Ich habe nichts zu verbergen. Mein Gewissen ist rein. Und die familiären Angelegenheiten zwischen mir und Pablo sind Privatsache.«
»Sie wissen, dass wir erwägen, Sebastiáns Fall neu aufzurollen und ihm psychologische Hilfe zukommen zu lassen…«
»Sie können machen, was Sie wollen, Inspector Jefe.«
Der Médico Forense erklärte, dass die Leiche jetzt bereit wäre. Ignacio wandte sich dem sich öffnenden Vorhang zu, bestätigte die Identität seines Bruders und ging, ohne ein weiteres Wort an Falcón zu richten.
Auf der Fahrt zurück zur Jefatura gingen Falcón drei Gedanken durch den Kopf. Warum provozierte er Ignacio Ortega so? Es war offensichtlich, dass er seinen Bruder nicht getötet hatte, aber dieser Mann wusste irgendetwas, das Falcón glauben ließ, er wäre mitverantwortlich für Pablos Tod. Wie knackte man eine harte Nuss wie Ignacio Ortega? Und wie fand man heraus, was Tote in ihren Köpfen verbergen? Um wie viel leichter wäre die Arbeit der Polizei doch, wenn man den Inhalt eines Gehirns auf den Computer herunterladen könnte. Die Software des Lebens. Wie würde die aussehen? Von Gefühlen verzerrte Tatsachen. Durch Illusion transformierte Realität. Von Leugnung übermalte Wahrheit. Man würde ein verdammt kompliziertes Programm brauchen, um das zu entwirren.
Sein Handy klingelte.
» Diga «, sagte er.
»Bist auf dem Rückweg?«, fragte Ramírez.
»Ich bin an der Plaza de Cuba.«
»Gut, weil Inspector Jefe Montes nämlich gerade aus seinem Fenster im zweiten Stock gesprungen und mit dem Kopf auf dem Parkplatz gelandet ist.«
Falcón raste die Avenida de Argentinia hinunter. Die Reifen quietschen auf dem heißen Asphalt, als er auf den Parkplatz der
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