Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
das er aus der Tasche gezogen hatte. Der eine Junge stieß den Schraubenzieher in den Türschlitz und stemmte ihn an einer Ecke auf, der andere Junge mit dem Draht ließ das Schloss aufschnappen. Das Ganze dauerte zwei Sekunden.
»Ich mag es stilvoll«, sagte Ramírez und spreizte die Finger in seinen Handschuhen. »Nicht der übliche Trick mit dem Dietrich.«
»Hat Señor Vega Sie je beauftragt, den Wagen zu waschen?«
Der Parkplatzwächter, ein Meister der kleinen Gesten, ließ als Antwort den Zahnstocher von einem Mundwinkel in den anderen wandern.
Das Innere des Wagens war mit einer feinen Staubschicht bedeckt, auch Beifahrersitz und Rückbank, was darauf schließen ließ, dass Vega in diesem Wagen allein unterwegs gewesen war. Im Handschuhfach lagen Unterlagen, im Aschenbecher zwei Schlüssel an einem Ring ohne Anhänger und die Karte eines Hostal residencia in einem Dorf namens Fuenteheridos im Bezirk Aracena.
Sie erklärten dem Wächter, dass er den Wagen nicht anrühren sollte, bis er abgeholt wurde. Ramírez kratzte ein wenig Staub von der Stoßstange in einen Plastikbeutel. Auf dem Weg aus der Tiefgarage erreichte Falcón ein Anruf von Cristina Ferrera, die berichtete, dass Pablo Ortega am Freitagabend vor seinem Selbstmord vier Anrufe gemacht hatte. Die beiden ersten Telefonate hatten jeweils dreißig Sekunden gedauert, eins mit einem Handwerker, das andere mit einem Mann namens Marciano Ruiz. Der dritte Anruf ging an Ignacio Ortega und dauerte mehr als zwölf Minuten. Das letzte Telefonat mit Ranz Costa hatte zwei Minuten gedauert.
Ramírez rief den Handwerker an, der erklärte, Ortega habe telefonisch seinen Termin abgesagt. Den Theaterdirektor Marciano Ruiz rief Falcón auf dem Weg zu Ranz Costas Kanzlei an. Ortega hatte eine obszöne Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen.
»Und welchen Zusammenhang gibt es nun zwischen Pablo Ortegas Selbstmord und Vegas Tod?«, fragte Ramírez.
»Auf dem Papier keinen, außer dass sie sich kannten und Nachbarn waren.«
»Aber dein Bauchgefühl sagt dir etwas anderes?«
Sie wurden in Ranz Costas Kanzlei gebeten. Costa war ein Bär von einem Mann, der selbst in den klimatisierten Räumen stark schwitzte.
»Sie hatten am Freitagabend einen Anruf von Pablo Ortega«, sagte Falcón. »Worum ging es da?«
»Er hat sich für das geänderte Testament bedankt, das ich für ihn aufgesetzt und ihm am Nachmittag per Kurier zugesandt hatte.«
»Wann hat er Sie mit der Änderung seines Testaments beauftragt?«
»Am Donnerstagmorgen«, sagte Ranz Costa. »Jetzt verstehe ich auch die Dringlichkeit.«
»Haben Sie heute Morgen mit Ignacio Ortega gesprochen?«
»Er hat mich sogar schon gestern Abend angerufen. Er wollte wissen, ob sein Bruder mir in dieser Sache einen Brief geschrieben hätte. Ich habe ihm erklärt, dass wir entweder telefoniert oder persönlich miteinander gesprochen haben.«
»Hat er Sie nach dem Inhalt des Testaments gefragt?«
»Ich wollte ihm erklären, dass sein Bruder sein Testament geändert hatte, aber das schien er bereits zu wissen. Und es war offenbar nicht seine vordringlichste Sorge.«
»Hat er von der Änderung in irgendeiner Weise profitiert?«
»Nein«, sagte Ranz Costa und rutschte eingedenk der bedrohten anwaltlichen Schweigepflicht unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.
»Sie kennen die nächste Frage«, sagte Ramírez.
»Als Besitz wurde das neue Haus in Santa Clara eingetragen, und Ignacio wurde von der Liste der Erben gestrichen.«
»Wer sind die Erben?«
»Hauptsächlich Sebastián, der jetzt alles bis auf zwei Beträge erbt, die an Ignacios Kinder ausgezahlt werden sollen.«
»Was wissen Sie über Ignacios Sohn Salvador?«, fragte Falcón. »Abgesehen von der Tatsache, dass er heroinsüchtig ist und in Sevilla lebt.«
»Er ist vierunddreißig Jahre alt. Die letzte mir bekannte Adresse ist im Polígono San Pablo. Ich musste mich zweimal um seine Verteidigung in Verfahren wegen Drogenhandels kümmern. Das erste hat er überstanden, beim zweiten konnte ich das Strafmaß auf vier Jahre reduzieren. Er ist vor zwei Jahren entlassen worden, und seither habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Sprechen Ignacio und Salvador miteinander?«
»Nein, aber Pablo und Salvador hatten Kontakt.«
»Eine letzte Frage, dann lassen wir Sie in Ruhe«, sagte Falcón. »Ignacio ist ein wohlhabender Mann, ich bezweifle, dass er von seinem Bruder Geld erwartet hat.«
»Er wollte schon immer den Louis-quinze-Stuhl aus Pablos
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