Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Jefatura abbog. Eine Menschenmenge hatte sich unter dem Fenster versammelt, an dem er Montes noch letzte Woche grübelnd hatte stehen sehen… grübelnd, ob der richtige Moment gekommen war?
In dem erbarmungslos grellen Sonnenschein war das flackernde Licht des Krankenwagens beinahe unsichtbar. Frauen starrten aus dunklen Fenstern im Erdgeschoss und schlugen die Hände vor den Mund. Männer standen an den Fenstern im ersten Stock und pressten die Hände an den Kopf, als wollten sie das unnatürliche Bild herauspressen. Falcón drängte durch die Menge und sah gerade noch, wie die Notärzte alle Rettungsbemühungen an dem leblosen Montes aufgaben. Kopf und Schultern steckten in dem dunkelroten Asphalt, als ob der in der glühenden Hitze dem furchtbaren Aufprall nachgegeben hätte. Doch Falcón wusste, was die Obduktion der Leiche ergeben würde: zerschmetterte Schulter, komplizierter Schlüsselbeinbruch, gebrochene Halswirbel, durchtrenntes Rückenmark, zertrümmerter Schädel, katastrophale Hirnblutungen.
Unter den Anwesenden standen auch Männer aus Montes’ Truppe. Sie weinten. Comisario Elvira kam aus der Jefatura und wählte einige wohlgesetzte Phrasen, um die Menge zu zerstreuen. Sein Blick fiel auf Falcón. Er trug ihm auf, Fotos machen zu lassen, für den Abtransport der Leiche zu sorgen und in einer Stunde mündlich Bericht zu erstatten. Der Juez de Guardia traf ein, begleitet vom Médico Forense.
Als die Menge sich auflöste, nahm Ferrera die Zeugenaussagen von drei Leuten auf. Falcón trug Ramírez auf, Montes’ Büro zu versiegeln. Felipe machte die notwendigen Fotos, bevor die Notärzte die Leiche unter Anweisung des Médico Forense abtransportierten. Dann rückten Beamte an, um den Tatort zu säubern und all das Blut wegzuspülen, das in der Sonne bereits gerann.
Als Falcón in sein Büro ging, um einen neuen Notizblock zu holen, beschäftigte ihn die schreckliche Koinzidenz – Vega, Ortega und jetzt Montes. Die Mordkommission war unterbesetzt, weil drei Kollegen im Urlaub waren. Keiner der Tode hatte dem Anschein nach etwas mit den anderen zu tun, und doch war jeder ein Vorbote des nächsten gewesen.
Als er Ferrera sah, nannte er ihr Salvador Ortegas Personalien und bat sie, mit den Kollegen aus dem Drogendezernat zu sprechen. Er brauche nur eine aktuelle Adresse. Außerdem trug er ihr auf, sämtliche Postämter in der Umgebung von Sevilla anzurufen und zu fragen, ob entweder Rafael Vega oder ein Argentinier namens Emilio Cruz dort ein Postfach hatte.
»Ist das wichtiger als Vegas Schlüssel?«
»Sind Sie damit weitergekommen?«
»Er hat kein Bankschließfach bei der Banco de Bilbao. So weit war ich.«
»Um den Schlüssel können Sie sich später kümmern«, sagte er. »Das wird seine Zeit brauchen.«
Er nahm sein Notizbuch und ging langsam die Treppe hinauf in den zweiten Stock, wo Ramírez mit einem Generalschlüssel für Montes’ Büro auf ihn wartete. Die Mitglieder der GRUME standen wartend im Flur aufgereiht. Felipe kam mit seiner Kamera vom Parkplatz.
Ramírez öffnete die Tür. Felipe machte seine Fotos und ging. Falcón schloss das Fenster. Sie sahen sich schwitzend um, während die Klimaanlage ihre Arbeit wieder aufnahm. Auf Montes’ Schreibtisch lag ein Zettel mit seiner Handschrift und ein an seine Frau adressierter Umschlag. Falcón und Ramírez gingen um den Schreibtisch herum, um die Notiz zu lesen, die an »Meine Kollegen« gerichtet war:
Wahrscheinlich kommt es euch lächerlich vor, dass ich mir so kurz vor der Pensionierung das Leben genommen habe. Ich hätte den Druck noch ein wenig länger aushalten sollen, aber ich konnte es nicht. Dies hat nichts mit den Männern und Frauen zu tun, mit denen zusammenzuarbeiten ich die Ehre hatte.
Ich bin zur Polizei gegangen, weil ich glaubte, ich könnte Gutes tun. Ich war beeindruckt von dem Wert eines Polizisten in der Gesellschaft. Aber ich war nicht in der Lage, das Gute zu tun, das ich tun wollte. Ich habe mich zunehmend machtlos gefühlt gegen die immer neuen Wogen von Verderbtheit und Korruption, die heute durch mein Land und den Rest von Europa schwappen.
Ich habe getrunken in der Hoffnung, dass es meine Sinne betäuben würde, damit ich nicht mehr merke, was um mich herum geschieht. Es hat nicht funktioniert. Immer schwerer hat der Druck auf meinen Schultern gelastet, bis ich manchmal das Gefühl hatte, nicht mehr aufstehen zu können. Ich habe mich wie in einer Falle gefühlt und konnte mit keinem reden.
Ich bitte
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