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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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euch, meine Freunde, nur darum, dass ihr meine Familie beschützt und mir diese letzte katastrophale Tat verzeiht.

    Falcón las den Beamten, die sich im Flur drängelten, den Brief laut vor. Die Frauen weinten mit ungläubig aufgerissenen Augen. Falcón fragte, ob irgendjemand, der Señora Montes kannte, Ramírez begleiten könnte, um ihr die Nachricht persönlich zu überbringen und ihr den Brief zu überreichen. Montes’ Stellvertreter trat vor und ging mit Ramírez davon.
    Das Büro enthielt nichts von Interesse, und die Befragungen verschiedener Mitarbeiter des Dezernats, die alle ziemlich erschüttert waren, fielen einsilbig aus. Als Falcón damit fertig war, war Ramírez, der den GRUME-Inspector bei Señora Montes zurückgelassen hatte, bereits wieder da. Sie versiegelten Montes’ Büro und gingen zurück in ihre Räume, wo Cristina Ferrera am Telefon hing. Falcón sagte, sie solle auch nach einem Postfach von Alberto Montes fragen. Nickend notierte sie den Namen.
    Ramírez folgte ihm in sein Büro und trat an das Fenster mit Blick auf den schon wieder sauberen und trockenen Parkplatz.
    »Du glaubst, Montes hätte abkassiert?«, fragte Ramírez.
    »Ich fand seine Wortwahl in dem Brief ziemlich interessant«, sagte Falcón. »Zum Beispiel: ›Ich war nicht in der Lage, das Gute zu tun, das ich tun wollte.‹ Oder: ›Machtlos gegen Korruption‹, ›immer schwerer hat der Druck auf meinen Schultern gelastet‹, ›wie in einer Falle‹ und schließlich der Satz, der meine Aufmerksamkeit geweckt hat: ›Beschützt meine Familie.‹ Warum sagt man so etwas? ›Kümmert euch‹ vielleicht, aber ›beschützt‹? Dies war ein Mann, bei dem verdrängte Schrecken aus dem Unbewusstsein in seinen Alltag zu sickern begannen, und er konnte es nicht ertragen.«
    Ramírez starrte nickend auf den Parkplatz.
    »Du hast die Idee, dass er abkassiert, doch nicht nur aus dem Brief«, sagte er dann. »Was weißt du sonst noch?«
    »Ich weiß nicht, was ich weiß.«
    »Komm mir nicht wieder mit diesem Scheiß.«
    »Das meine ich ernst. Ich glaube, Montes dachte , dass ich etwas weiß«, sagte Falcón.
    »Na ja, wenn er abkassiert hat, ist er wohl auch derjenige, der die Russen über dich auf dem Laufenden gehalten hat.«
    »Montes dachte, dass ich ihn unter Druck setze, obwohl ich das gar nicht wollte. Ich habe ihn nur nach den Russen gefragt, um zu sehen, ob er von ihnen gehört hatte. Sonst nichts.«
    »Den Rest hat seine Fantasie erledigt«, sagte Ramírez.
    »Und jetzt komme ich mir vor wie ein Archäologe, der ein paar ungewöhnliche Tonscherben gefunden hat und daraus eine ganze Zivilisation rekonstruieren soll.«
    »Erzähl mir von den Scherben«, sagte Ramírez. »Ich bin gut darin, Dinge wieder zusammenzukleben.«
    »Es ist mir beinahe peinlich«, sagte Falcón. »Es sind Indizien aus dem alten Raúl-Jiménez-Fall. Ein paar Namen aus Vegas Adressbuch. Die Verwicklung der russischen Mafia in zwei Projekte von Vega Construcciones. Ihre Drohungen. Der Zeitpunkt von Ortegas Tod. Der Zeitpunkt des heutigen Selbstmords. Das kann man kaum Scherben nennen, und wenn doch, stammen sie nicht notwendigerweise alle vom selben Krug, sondern sind vielleicht bloß verstreute Fragmente.«
    »Lass uns zur Klärung ein paar Fakten über Vega festhalten«, sagte Ramírez. »Erstens war er sehr auf seine Sicherheit bedacht: die Pistole, unregistriert, wie ich überprüft habe; die kugelsicheren Fenster; das Überwachungssystem, selbst wenn er es nicht eingeschaltet hatte; die Haustür…«
    »Die Haustür, die normalerweise nachts fest verriegelt ist, am Morgen seines Todes jedoch nur zugezogen war.«
    »Wie auch die Tür in den Garten, was bedeutet…«
    »Was möglicherweise darauf hindeutet«, verbesserte Falcón ihn, »dass Vega spätabends jemanden ins Haus gelassen hat, den er kannte.«
    »Alle seine direkten Nachbarn kannten ihn privat«, sagte Ramírez, »aber wenn einer von ihnen vorbeigekommen ist, hat er nicht vorher angerufen.«
    »Von Pablo Ortega wissen wir, dass die Russen ihn zu Hause besucht haben«, sagte Falcón. »Aber Vega hat ›ihre wirtschaftlichen Interessen unterstützt‹, wie Vázquez es formuliert hat, deshalb kann ich kein Motiv erkennen, warum sie ihn aus dem Weg räumen sollten. Marty Krugman hat die Möglichkeit aufgeworfen, dass Vega die Russen vielleicht betrogen hat.«
    »War das ein konkreter Verdacht?«
    »Reine Spekulation auf die Frage, warum die Mafia Vega erledigt haben könnte«, sagte Falcón.

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