Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
an seinem Ohr vorbeipfiff.
»Das sehe ich auch«, sagte der Staatsanwalt. »Der Mann hatte offensichtlich eine Vergangenheit. Er war vor irgendetwas geflohen und hatte sich ein neues Leben aufgebaut. Vielleicht hat ihn seine Vergangenheit irgendwie eingeholt, aber das hilft Ihnen nicht bei der Entscheidung, in welche Richtung Sie Ihre Ermittlung weiterführen wollen. Sie haben bloß Theorien. Zugegeben, die Immobiliengeschäfte mit den Russen wirken seltsam, und ihre Verbindung zu Vega ist gelinde gesagt ungesund. Aber wir kommen nicht an die Vorbesitzer der Grundstücke heran. Sie können sich den Preis im Kaufvertrag ansehen, aber das wird Ihnen nicht viel verraten, weil bei Grundstücksverkäufen jeder aus Steuergründen einen niedrigen Wert angibt. Es muss eine für Juez Decano erkennbare logische Kette geben, wenn öffentliche Mittel für die Verfolgung dieser… Theorien ausgegeben werden sollen.«
»Sie sehen keinen Zusammenhang zwischen Señor Vegas Tod und dem Selbstmord seines Nachbarn?«, fragte Ramírez.
»Sie haben mir keinen genannt, außer ein paar Namen in einem Adressbuch und Menschen, die gemeinsam auf Fotos zu sehen sind«, sagte Calderón und unterdrückte ein Gähnen. »Juez Romero konnte auch keinen Zusammenhang entdecken. Die Nähe der beiden Todesfälle scheint Zufall zu sein, der einzige Unterschied besteht darin, dass es in einem Fall keine Zweifel gibt, in dem anderen einige nicht endgültig geklärte Details, wobei diese Bedenken sich nicht aus den von Ihnen präsentierten Indizien ergeben, sondern nur in unseren Köpfen existieren.«
»Was ist mit der Notiz mit dem Hinweis auf einen terroristischen Anschlag?«, fragte Ramírez.
»Das ist für ein Gericht als Einzelinformation genauso relevant wie die Tatsache, dass er eine Akte über Kriegsverbrecher-Tribunale hatte, eine alte Schrottkarre in einer Tiefgarage abgestellt hat und nicht der war, der er zu sein vorgab. Alles sehr interessante Details, die jedoch genau wie die anonymen Drohungen in keinem erkennbaren Zusammenhang zu irgendetwas anderem stehen«, befand Calderón und wandte sich an Falcón: »Sie sagen ja gar nichts, Inspector Jefe.«
»Vergeuden wir nur unsere Zeit?«, fragte Falcón überdrüssig und von Calderóns Lustlosigkeit angesteckt. »Vielleicht finden wir weitere faszinierende Details, die uns ebenfalls weder Zeugen noch Motiv liefern. Wir sind wegen der Ferien nur mit drei Mann besetzt. Die Situation in der Jefatura ist ernst…«
»Davon habe ich gehört«, sagte Calderón und starrte, die Hände zwischen die Knie geklemmt, auf seinen Schreibtisch.
»Unsere Chancen, den einzigen Zeugen, Sergej, zu finden, werden täglich geringer. Machen wir Schluss, oder machen wir weiter? Und wenn wir weitermachen, in welcher Richtung?«
»Okay. Sie sind verärgert. Ich sehe, dass Sie gute Arbeit geleistet und interessante Informationen zusammengetragen haben«, sagte Calderón bemüht enthusiastisch, als er Falcóns Tonfall bemerkte. »Im Augenblick neige ich angesichts des psychologischen Profils des Opfers – für das wir durch einen Arzt und Maddy Krugmans Fotos klare Beweise haben – und erst recht im Licht Ihrer neuen Erkenntnis zu der Ansicht, dass Vega erst seine Frau und dann sich selbst getötet hat. Wenn Sie das akzeptieren können, schließe ich die Ermittlung ab und erkläre den Fall zu einem Selbstmord. Wenn Sie neugierig genug sind weiterzumachen, gebe ich Ihnen achtundvierzig Stunden.«
»Um in welche Richtung zu ermitteln?«, fragte Ramírez.
»Was immer Sie wollen«, sagte Calderón. »Sehen Sie eine Chance, direkt mit den Russen zu reden?«
»Die sind in Portugal«, sagte Falcón. »Möglicherweise kommen sie vorbei und schauen nach dem Stand ihrer Investitionen.«
»Mit wem würden sie Kontakt aufnehmen?«
»Wahrscheinlich mit Carlos Vázquez.«
»Das ist ein Mann, der etwas zu verbergen hat«, sagte Ramírez.
»Wie wär’s damit, herauszufinden, wer Vega wirklich war?«, fragte Falcón.
»Wie?«, fragte Calderón und wandte sich bereits wieder halb dem Fenster zu.
»Über Amerika«, sagte Falcón. »Mal angenommen, er hat vor zwanzig Jahren tatsächlich dort gelebt, ist aus irgendetwas entkommen und hat sein Leben neu aufgebaut. Mir ist gerade eingefallen, dass im Obduktionsbericht von Narben einer länger zurückliegenden plastischen Operation die Rede war. Das klingt durchaus wahrscheinlich. Vielleicht hatte er ein Strafregister oder war dem FBI aus anderen Gründen bekannt.«
»Haben
Weitere Kostenlose Bücher