Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
worden«, erwiderte er.
»Das ist mir bewusst…«
»Nein, ich meine wirklich verletzt… physisch«, sagte Marty. »Es ist nicht das, was Sie denken.«
»Was ist es dann?«
»Eine private Angelegenheit. Und jede Vermittlung ist aussichtslos.«
»Ich will auch gar nicht vermitteln.«
»Dann müssen Sie gekommen sein, um Zeuge zu werden, wie ein Menschenleben zerstört wird.«
»Nein, deshalb bin ich bestimmt nicht gekommen«, sagte Falcón. »Ich bin nur gekommen, um Sie anzuhören.«
»Ich hab Maddy ja gesagt, dass Bullen wie Sie bei uns zu Hause nicht gemacht werden«, sagte Marty. »Dort mag man Leute mit eckigen Köpfen, die gut in Schraubzwingen passen, damit man ihren Horizont besser einengen kann. Die sehen keine Farben oder Schattierungen, sondern nur schwarz und weiß.«
»Wir treten immer nur in Krisensituationen in das Leben anderer Menschen«, sagte Falcón. »Manchmal müssen wir dann vereinfachen und die Grautöne ausblenden. Ich versuche bloß, das so selten wie möglich zu tun. Ich werde jetzt klingeln, und ich fände es nett, wenn Sie mich reinlassen.«
»Okay, Inspector Jefe, Sie können reinkommen. Ich brauche einen unparteiischen Zuhörer. Aber vorher sollten Sie wissen, dass Sie sich dadurch nur selbst in Gefahr bringen«, warnte er. »Sie werden den Ausgang des Abends nicht beeinflussen. Der steht bereits fest. Das Schicksal hat ihn schon vor geraumer Zeit diktiert.«
»Verstehe«, sagte Falcón und klingelte, um den Druck aufrechtzuerhalten.
Calderón öffnete die Tür. Er schwitzte stark und zitterte in der kalten Wohnung. Seine Augen waren eingesunken und hatten den flehenden Blick eines Bettlers. Hinter ihm stand eine entschlossen wirkende Maddy Krugmann, dahinter Marty, die Pistole auf Calderóns Kopf gerichtet.
»Hereinspaziert, Inspector Jefe. Machen Sie die Tür zu, schließen Sie zweimal ab, und legen Sie die Kette vor.«
Krugman wirkte ruhig. Während Falcón sich um die Tür kümmerte, befahl er den beiden anderen, sich im Flur auf den Boden zu legen und die Hände hinter dem Kopf zu verschränken. Dann tastete er Falcóns Oberkörper und Hüften ab und verlangte, dass er seine Knöchel entblößte. Anschließend gingen sie gemeinsam ins Wohnzimmer. Calderón und Maddy nahmen ihre Plätze auf dem Sofa wieder ein, sie mit einer Art gelangweilter Trägheit, als wäre das alles bloß ein lästiges Familientreffen, an dem sie gezwungenermaßen teilnahm, obwohl sie das doch alles gar nichts anging.
»Ich setze mich hierhin«, sagte Falcón und wählte einen Sessel vor der Schiebetür, damit García ihn deutlich im Blick hatte.
»Warum setzen Sie sich nicht zu uns in die erste Reihe?«, fragte Maddy.
»Dort sitzen Sie gut«, befand Marty.
»Wie sind Sie in die Wohnung gekommen, Marty?«, fragte Falcón.
»Ein Liebespaar geht gern zum Essen aus.«
»Wir sind kein Liebespaar «, sagte Maddy ärgerlich.
»Ich habe draußen auf sie gewartet.«
»Er glaubt, wir wären ein Liebespaar«, sagte Maddy an Falcón gewandt, als wäre das eine komplett absurde Vorstellung.
»Wenn ihr das nicht seid, was seid ihr, verdammt noch mal, dann?«, fragte Marty auf Englisch. »Was macht ihr in diesem Aufzug in dieser Wohnung, im Begriff, in irgendein beschissenes Restaurant zu gehen – wenn ihr kein Liebespaar seid?«
»Ihre Frau wird all diese Fragen beantworten, Marty«, sagte Falcón, »aber die Leute neigen zu Nervosität, wenn man mit einer Pistole vor ihrer Nase herumfuchtelt. Sie werden defensiv, wütend…«
»Oder verstummen ganz«, sagte Marty und ließ den Lauf der Pistole in Calderóns Richtung zucken.
»Sie werfen ihm vor, der Liebhaber Ihrer Frau zu sein. Vielleicht hält er es für das Klügste, den Mund zu halten.«
»Ich kann seine Angst riechen.«
»Das ist eine geladene Pistole.«
»Wenn man tut, was er getan hat, dann muss man auf so etwas vorbereitet sein.«
»Ich weiß nicht, was dein Problem ist, Marty. Von dem Tag an, als Esteban in unser Haus gekommen ist, wusstest du, dass er mit mir ins Bett wollte wie alle anderen auch. Und du wusstest, dass ich kein Interesse hatte. Er ist einfach nicht mein Typ.«
»Ich kenne dich, Maddy. Ich weiß, wie dein Verstand funktioniert – vergiss das nicht. Hier drinnen macht dein Gerede keinen Unterschied, weil diese beiden Typen dir nicht helfen können, selbst wenn sie dir glauben.«
»Was ist mit dir passiert, Marty?«, fragte sie, ihr Gesicht unvermittelt eine Maske tief empfundener Sorge.
»Ich habe dich
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