Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Kopfkissen.«
»O mein Gott«, sagte sie und blickte sich um. »Mario.«
»Señor Vega hat einen Liter Abflussreiniger getrunken, der wahrscheinlich vergiftet war, es sei denn, er hat vorher Tabletten genommen. Wir müssen den Bericht des Médico Forense abwarten.«
»Das kann ich einfach nicht glauben.«
»Sie meinen, er war Ihrer Ansicht nach nicht der Typ, der Selbstmord begeht?«
»Er wirkte so geerdet. Seine Arbeit, seine Familie… vor allem Mario. Er hatte gerade ein neues Auto gekauft. Sie wollten in Urlaub fahren…«
»War Señor Vega zu Hause, als Sie gestern Abend wegen Mario angerufen haben?«
»Ich habe mit Lucía gesprochen. Ich bin davon ausgegangen, aber ich weiß es nicht.«
»Wohin wollten sie in Urlaub fahren?«, fragte Falcón.
»Normalerweise fuhren sie nach El Puerto de Santa María, aber sie fanden, dass Mario dieses Jahr alt genug wäre, und haben ein Haus in La Jolla bei San Diego gemietet. Sie wollten mit ihm nach Sea World und Disneyland fahren.«
»Florida wäre näher gewesen.«
»Zu feucht für Lucía«, sagte sie, zündete sich eine neue Zigarette an und starrte kopfschüttelnd zur Decke. »Wir haben keine Ahnung, was im Kopf anderer Menschen vor sich geht.«
»All das hat sein Anwalt mit keinem Wort erwähnt.«
»Vielleicht wusste er es gar nicht. Rafael war der Typ, der sein Leben fein unterteilt hat. Er mochte es nicht, wenn sich Bereiche überlappten und eine Welt in die andere sickerte. Alles musste getrennt und an seinem festen Ort bleiben. Das mit dem Urlaub habe ich von Lucía erfahren.«
»Das heißt, er war ein Kontrollfanatiker.«
»Wie viele erfolgreiche Geschäftsleute.«
»Haben Sie ihn durch Raúl kennen gelernt?«
»Er hat mich nach Raúls Ermordung sehr unterstützt.«
»Er hat Mario hier übernachten lassen?«
»Er mochte auch meine Jungen.«
»Hat Mario regelmäßig hier übernachtet?«
»Mindestens einmal die Woche. Normalerweise an einem Abend in der Woche oder im Sommer am Wochenende, wenn ich mehr Zeit habe«, sagte sie. »Er hat bloß verboten, dass Mario in den Pool geht.«
»Überraschend, dass Señor Vega keinen Swimmingpool hat.«
»Es gab einen, aber sie haben ihn zuschütten und mit Rasen bepflanzen lassen. Er mochte keine Pools.«
»Wusste sonst noch jemand von Marios Übernachtungen?«
»Vielleicht, wenn er neugierig genug war«, sagte sie. »Finden Sie das alles nicht schrecklich mühselig, Javier?«
»Meiner Erfahrung nach bekommt man durch die Kleinigkeiten des Alltags heraus, wie die Menschen wirklich leben. Die Kleinigkeiten, die zu größeren Dingen führen«, sagte er. »Vor ein paar Jahren fing es an, mir langweilig zu werden, aber jetzt ich finde es seltsamerweise wieder fesselnd.«
»Seit Sie ein neues Leben angefangen haben?«
»Verzeihung?«
»Ich wollte nicht aufdringlich sein.«
»Dass hatte ich beinahe vergessen… aber das ist Ihr Stil, nicht wahr, Doña Consuelo?«
»Die Doña können Sie sich sparen, Javier«, sagte sie. »Und es tut mir Leid. Den Gedanken hätte ich besser für mich behalten.«
»Ich treffe viele Menschen, die irgendwelche Dinge von mir denken«, sagte er. »Durch meine Geschichte bin ich öffentliches Eigentum geworden. Ich werde nur deshalb nicht häufiger angegangen, weil die Leute zu viele Fragen haben. Sie wissen nicht, mit welcher sie anfangen sollen.«
»Ich meinte nur, dass die Alltäglichkeiten anfangen, wichtig zu werden, wenn die Grundfeste des Lebens einstürzen. Sie halten alles zusammen«, sagte sie. »Auch ich musste seit unserer letzten Begegnung einiges neu aufbauen.«
»Neues Leben, neues Zuhause… neuer Liebhaber?«, fragte er.
»Das habe ich wohl nicht verdient«, sagte sie.
»Es ist bloß mein Job.«
»Ist das eine persönliche Nachfrage, oder dient sie ausschließlich Ihrer Ermittlung?«
»Sagen wir, beides«, erwiderte Falcón.
»Ich habe keinen Liebhaber, und… falls Sie darauf hinauswollen, Rafael war nicht an mir interessiert.«
Er wiederholte ihre Antwort in seinem Kopf und entdeckte keine versteckten Nuancen.
»Zurück zu den Kleinigkeiten«, sagte er. »Wann haben Sie zum letzten Mal mit den Vegas gesprochen?«
»Gegen elf habe ich mit Lucía telefoniert, um ihr zu sagen, dass Mario eingeschlafen war und ich ihn ins Bett gesteckt hatte. Wir haben ein bisschen unter Müttern geplaudert, und das war’s.«
»War das Gespräch länger als gewöhnlich?«
Consuelo blinzelte, in ihren Augen standen Tränen, ihre Lippen kräuselten sich um ihre
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