Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
gefiel, kaufte sie es immer gleich drei Mal. Sie nahm Medikamente.«
»Wenn er eine Krise gehabt hätte, wäre es also unwahrscheinlich gewesen, dass er sich an einen Menschen außerhalb seiner Familie gewandt hätte, und mit seiner Frau hätte er nicht reden können.«
»Die Gastronomie hat mich gelehrt, das Leben anderer nicht von außen zu beurteilen. Paare, selbst die verrückten, haben meist ihre eigene Art der Kommunikation. Manchmal ist sie nicht besonders verständlich, aber sie funktioniert.«
»Was ist mit der häuslichen Situation? Die haben Sie doch auch gesehen.«
»Schon, aber ein Dritter verändert immer die Dynamik. Die Leute fangen an, sich anders zu verhalten.«
»Ist das eine allgemeine oder eine spezifische Beobachtung?«
»Ich meinte es spezifisch, aber es ist auch allgemein anwendbar«, sagte sie. »Und es hat sich gerade zum zweiten Mal so angehört, als wollten Sie mir eine Affäre mit Señor Vega unterstellen.«
»Wirklich?«, fragte Falcón. »Nun, ich meinte es eher allgemein. Ich dachte bloß, dass irgendeine Geliebte unter derart stressigen Umständen eine Möglichkeit gewesen wäre, die die psychische und eheliche Landschaft verändert hätte.«
»Nicht Rafael«, meinte sie kopfschüttelnd. »Er ist nicht der Typ.«
»Wer denn dann?«
Sie nahm eine Zigarette, zündete sie an und blies den Rauch Richtung Fenster. »Ihr Kommissar Ramírez ist der Typ«, sagte sie. »Wo ist er überhaupt?«
»Er begleitet seine Tochter zu einer Reihe von medizinischen Untersuchungen.«
»Nichts Ernstes, hoffe ich.«
»Man weiß es nicht«, sagte Falcón. »Aber was Ramírez betrifft, haben Sie Recht, er war schon immer ein Spieler… der sich für die Sekretärinnen im Gerichtsgebäude die Haare kämmt.«
»Vielleicht hat er auch bei der Arbeit einen Blick für die leicht Verwundbaren entwickelt«, sagte sie.
»Aber Rafael Vega offenbar nicht. Der Metzger.«
»Sie sagen es. Das ist nun wirklich ein unerotisches Hobby: ›Soll ich dir mein neuestes Kotelett zeigen?‹«
»Was haben Sie davon gehalten?«
»Ich habe ihn benutzt. Sein Rindfleisch war immer hervorragend. Fast alle Steaks, die in meinen Restaurants serviert werden, sind von ihm.«
»Und wie würden Sie es psychologisch beurteilen?«
»Es lag in der Familie. Ich glaube nicht, dass mehr dahinter steckt. Wenn sein Vater Tischler gewesen wäre…«
»Ja, ein paar selbst geschreinerte Schränkchen. Aber Schlachterei…?«
»Lucía fand es unheimlich, aber… sie war da ziemlich heikel.«
»Sie war empfindlich?«
»Sie war empfindlich und nervös und litt unter Depressionen und Schlafstörungen. Sie hat pro Nacht zwei Schlaftabletten genommen. Eine, um einzuschlafen, und eine weitere, wenn sie um drei oder vier Uhr früh aufwachte.«
»Kugelsichere Fenster«, sagte Falcón.
»Sie brauchte die Stille, um schlafen zu können. Das Haus war hermetisch versiegelt. Wenn man erst einmal drinnen war, spürte man die Außenwelt nicht mehr. Kein Wunder, dass sie ein bisschen verrückt war. Wenn sie die Tür aufgemacht hat, habe ich manchmal einen Luftzug erwartet, als ob drinnen andere Druckverhältnisse herrschten.«
»In einer Welt des oberflächlichen Vergnügens klingt das aber eher nach wenig Spaß«, sagte Falcón.
»Sie machen es schon wieder, Javier. Das war Nummer drei«, sagte sie. »Außerdem war sie oberflächlich. Mit dem Materiellen und dem Trivialen hat sie ihr Leben zusammengehalten. Sie fand Beziehungen zu kompliziert. Selbst Mario wurde ihr manchmal zu viel, deshalb war sie auch so glücklich, wenn er zu uns rüberkommen konnte. Aber damit will ich nicht sagen, dass er nicht der Mittelpunkt ihres Lebens war.«
»Und wie passte Señor Vega in diese Familie?«
»Ich glaube nicht, dass sie mit einem Kind gerechnet haben. Ich habe sie damals nur selten gesehen, aber ich meine mich zu erinnern, dass es ein Schock war«, sagte sie. »Wie dem auch sei, ein Kind verändert eine Ehe. Vielleicht werden Sie das eines Tages selbst entdecken, Javier.«
»Sie tun so, als würden Sie nicht verstehen, was ich mache, dabei wissen Sie, dass ich es tun muss. Ich muss die Schwächen und Verletzlichkeiten betrachten«, sagte Falcón, und die Worte klangen selbst in seinen eigenen Ohren übertrieben. »Meine Fragen können hässlich sein, aber es ist auch nicht schön, wenn ein Doppelmörder frei herumläuft, der den Tatort so zurückgelassen hat, dass es nach einem Selbstmordpakt aussieht.«
»Das ist schon in Ordnung, Javier, ich
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