Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Alberto Montes ein Riesenchaos hinterlassen.«
»Was ist mit den Leichen der beiden Kinder in der Sierra de Aracena? Jeder weiß davon. So etwas kann niemand vertuschen.«
»Wenn die Kinder Einheimische waren, natürlich nicht. Aber wer sind sie?«, fragte Falcón. »Sie sind seit einem Jahr tot. Das einzige benutzbare Beweisstück aus dem Haus ist das Video, und bei dem können wir, wie Lobo eingewandt hat, nicht mal beweisen, dass es in Montes’ Finca aufgenommen wurde. Unsere einzige Chance besteht darin, dass man uns erlaubt , die Leute auf dem Band zu vernehmen.«
Ramírez ging zum Fenster und legte seine Hände an die Scheibe. »Erst mussten wir uns Nadja Kuzmikovas Geschichte anhören und konnten nichts tun. Jetzt sollen wir auch noch zusehen, wie diese cabrones ungeschoren davonkommen?«
»Nichts ist sicher.«
»Wir haben das Video«, sagte Ramírez.
»Nach dem, was Montes getan hat, müssen wir sehr vorsichtig damit umgehen«, sagte Falcón. »Und jetzt gehe ich.«
»Wohin?«
»Etwas tun, wonach ich mich hoffentlich wieder wohler in meiner Haut fühlen werde.«
Auf dem Weg nach draußen stieß er mit Cristina Ferrera zusammen, die die Inschrift an der Wand der Finca hatte übersetzen lassen.
»Legen Sie es auf meinen Schreibtisch«, sagte Falcón. »Jetzt kann ich es nicht ertragen.«
Er überquerte den Fluss und folgte der Calle del Torneo. Als die Straße sich vom Ufer entfernte, hielt er sich rechts Richtung La Maracena, bis er auf die Alameda stieß, wo er den Wagen parkte und die Calle Jesus del Gran Poder hinunterging. Dies war Pablo Ortegas altes Barrio. Er suchte ein Haus in der Calle Lumbreras, das den Eltern des kleinen Manolo López gehörte, des vorgeblichen Opfers von Sebastián Ortega. Er hatte seinen Besuch nicht angekündigt, weil er fürchtete, dass die Eltern ein erneutes Eindringen in ihre Privatsphäre nicht begrüßen würden, vor allem nach dem, was er über die gesundheitlichen Probleme des Vaters gehört hatte.
Sein Weg führte ihn durch Aromen von Olivenöl und Knoblauch zu einem kleinen, renovierungsbedürftigen Mietshaus. Er klingelte. Señora López öffnete die Tür und starrte auf seinen Dienstausweis. Sie wollte offensichtlich nicht, dass er hereinkam, brachte aber auch nicht das Selbstbewusstsein auf, ihm zu sagen, er sollte sie in Ruhe lassen. Die Wohnung war klein, stickig und sehr heiß. Señora López ließ ihn an einem Tisch mit Spitzendecke und einer Vase mit Plastikblumen Platz nehmen und ging ihren Mann holen. Der Raum war ein voll gestopfter Schrein der Marienverehrung. Heilige Jungfrauen hingen an Wänden, klemmten zwischen Büchern auf den Regalen und zierten Zeitungsstapel. In einer Nische brannte eine Kerze.
Señora López bugsierte ihren Mann ins Zimmer, als ob sie eine Kuh zum Melken führte. Er war Ende vierzig, aber sehr unsicher auf den Beinen, was ihn älter wirken ließ. Ein Arm hing wie tot herab. Mit zitternder Hand nahm er Falcóns Dienstausweis entgegen.
»Mordkommission?«, fragte er.
»Nicht in dieser Sache«, sagte Falcón. »Ich wollte mit Ihnen über die Entführung Ihres Sohnes sprechen.«
»Darüber kann ich nicht reden«, sagte er und stand sofort wieder auf.
Seine Frau half ihm aus dem Zimmer. Falcón beobachtete das komplizierte Manöver in einem Zustand wachsender Verzweiflung.
»Er kann nicht darüber reden«, sagte sie, als sie an den Tisch zurückkehrte. »Er ist nicht mehr derselbe seit… seit…«
»Seit Manolo verschwunden ist?«
»Nein, nein… es war danach. Nach dem Prozess hat er seinen Job verloren. Seine Beine benahmen sich seltsam, sie fühlten sich an, als würden lauter Ameisen darauf herumkrabbeln. Er wurde unsicher auf den Beinen. Eine Hand fing an zu zittern, der andere Arm hat einfach aufgehört zu funktionieren. Jetzt tut er den ganzen Tag gar nichts. Er geht von hier ins Schlafzimmer und zurück… das ist alles.«
»Aber Manolo geht es gut, oder?«
»Ja, ihm geht es gut. Als ob das alles nie passiert wäre. Er ist in Ferien… Zelten mit seinen Neffen und Vettern.«
»Sie haben also auch noch sehr viel ältere Kinder.«
»Mit achtzehn und neunzehn habe ich nacheinander einen Jungen und ein Mädchen bekommen, und dann kam zwanzig Jahre später Manolo.«
»Hat Manolo irgendeine Reaktion auf das gezeigt, was ihm passiert ist?«
»Nicht direkt«, sagte Señora López. »Er war immer ein fröhlicher Junge. Nur was mit Sebastián Ortega passiert ist, macht ihm anscheinend Sorgen. Es macht ihn
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