Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
Pädophilen-Netzwerk ist, können wir ihn festnehmen und dann gegen die russischen Mafiosi Wladimir Iwanov und Michail Zelenov weiter ermitteln«, sagte Falcón. »Dabei ist mir klar, dass dieser letzte Teil der hässlichen Gleichung am schwierigsten zu lösen sein wird.«
Elviras abgespanntes Gesicht zuckte vor Falcóns ernstem Blick zurück. Schließlich blickten sie beide in Lobos immer dunkler anlaufende Zornesmiene.
»Für den Augenblick, Inspector Jefe«, sagte der, »fordere ich Sie im Licht dessen, was Sie mir gerade über die Verwicklung eines unserer leitenden Beamten in den Fall erzählt haben, auf, nichts zu tun und zu sagen.«
In dem nachfolgenden Schweigen, das ein gewichtiges Geständnis enthielt, begannen sich Fragen in Falcóns Hinterkopf aufzutürmen, von denen er keine einzige stellen konnte. Er wünschte einen guten Morgen und ging zum Schreibtisch, um die Kassetten wieder einzupacken.
»Die lassen Sie lieber hier«, sagte Lobo.
Falcón zog seine Hand zurück, als hätte ein Wolf danach geschnappt.
Ramírez saß, die Füße auf dem Tisch, rauchend im Großraumbüro. Als Falcón hereinkam, legte er einen Finger auf die Lippen, wies mit dem Kopf nach nebenan und formte mit den Lippen tonlos den Namen Virgilio Guzmán.
»Ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen, Virgilio«, sagte Falcón, als er sein Büro betrat und sich hinter seinen Schreibtisch setzte.
»Worüber?«
»Über gar nichts.«
»Was ist mit Alfonso Martinez und Enrique Altozano?«
»Einer liegt auf der Intensivstation, der andere ist verschwunden.«
»Enrique Altozano ist heute Morgen wundersamerweise wieder aufgetaucht « sagte Guzmán. »Hört sich das für Sie nicht so an, als hätte ihm jemand gesagt, dass die Luft rein ist?«
»Für einen spekulativen Geist kann es sich nach allem Möglichen anhören.«
»Also gut«, sagte Guzmán. »Soll ich Ihnen von Miguel Velasco erzählen?«
»Ich weiß schon Bescheid über ihn.«
»Was wissen Sie?«
»Dass er ein chilenischer Militär war.«
»Das ist ein bisschen vage.«
»Wird es mir irgendwie weiterhelfen, wenn ich mehr weiß?«
»Ich gebe Ihnen einen kurzen Abriss, und Sie sagen es mir«, meinte Guzmán. »Er wurde 1944 als Sohn eines Schlachters in Santiago geboren, studierte an der katholischen Universität und war Mitglied von Patria y Libertad. 1967 starb seine Mutter an einem Herzinfarkt. 1969 schloss er sich dem chilenischen Militär an. Nach dem Putsch wurde er zu der Einheit versetzt, die im Juni 1974 schließlich zur DINA wurde. Sein Vater, der Allendes Politik nicht mochte, aber auch mit Pinochets Putsch nicht einverstanden war, verschwand 1973 und wurde nie wieder gesehen. Während seiner Dienstzeit bei der DINA wurde er einer der wichtigsten Verhörspezialisten und ein enger Freund des Leiters der DINA – Oberst Manuel Contreras.«
»Ich habe gehört, dass die Notiz, die er bei seinem Tod in seiner Hand hielt, eine Inschrift an einer Zellenwand in der Villa Grimaldi war«, sagte Falcón. »Man hat mir auch erzählt, dass er bei der MIR als El Salido bekannt war.«
»Vielleicht haben Sie noch nichts von seiner Arbeit in der Venda Sexy gehört«, sagte Guzmán. »Das war der Name eines Folterzentrums in der Calle Irán 3037, im Quílú-Viertel von Santiago de Chile, auch bekannt als La Discoteca wegen der lauten Musik, die Tag und Nacht aus den Räumen drang. Bevor Miguel Velasco in die Villa Grimaldi versetzt wurde, entwickelte er die dort angewandten Methoden. Er zwang Verwandte, sexuelle Praktiken wie Inzest oder sexuellen Missbrauch von Kindern mitanzusehen oder daran teilzunehmen. Manchmal ermutigte er auch seine Mitfolterer mitzumachen.«
»Das hilft mir, gewisse Dinge zu erklären… oder nicht zu erklären, sondern…«
»Erzählen Sie es mir.«
»Fahren Sie fort, Virgilio.«
»Er war ein herausragender Verhörspezialist und wurde von der Villa Grimaldi zu einer aktiven Zelle bei der Operation Condor versetzt, die auf Entführungen, Verhöre und Morde im Ausland spezialisiert war. 1978 wurde er an die chilenische Botschaft nach Stockholm versetzt, wo er verdeckte Operationen gegen Exilchilenen leitete. Ende 1979 wurde er zum Militär zurückversetzt und hat vermutlich eine CIA-Ausbildung genossen, bevor er ein lukratives ›Drogen gegen Waffen‹-Geschäft aufgezogen hat. Das flog 1981 auf, es folgte ein Prozess, in dem er als Kronzeuge ausgesagt hat. 1982 brachte man ihn in einem Zeugenschutzprogramm unter, aus dem er ziemlich unmittelbar
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