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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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wieder verschwand.«
    »Stockholm?«, fragte Falcón.
    »Der schwedische Premierminister Olof Palme hat mit seiner Abscheu gegenüber dem Pinochet-Regime nie hinterm Berg gehalten. In den Tagen nach dem 11. September ist der schwedische Botschafter in Santiago, Harald Edelstam, in der Hauptstadt herumgelaufen und hat allen Gegnern des Putsches Asyl angeboten, sodass Stockholm natürlich ein Zentrum der europäischen Anti-Pinochet-Bewegung wurde. Dort wurde auch eine DINA/CNI-Zelle aufgebaut, um den Drogenschmuggel in Europa zu organisieren und die chilenischen Exilanten zu bespitzeln.«
    »Interessant… aber hilft mir alles nicht weiter«, sagte Falcón. »Der Fall wird in Kürze für abgeschlossen erklärt werden.«
    »Ich spüre eine gewisse Enttäuschung bei Ihnen, Javier.«
    »Sie können spüren, was Sie wollen, Virgilio, ich habe Ihnen nichts zu erzählen.«
    »Die Leute halten mich für einen Langeweiler, weil viele meiner Sätze mit der Phrase beginnen: ›Als ich an der Geschichte über die Todeskommandos gearbeitet habe‹…«, sagte Guzmán.
    Ramírez grunzte zustimmend aus dem Großraumbüro.
    »Sie haben bestimmt viel gelernt…«
    »Während dieser Recherche habe ich es irgendwie immer geschafft, im entscheidenden Moment in irgendjemandes Büro aufzutauchen«, sagte Guzmán. »Nennen Sie es Timing oder ein Anzapfen des kollektiven Unbewussten. Glauben Sie an den ganzen Mist, Javier?«
    »Ja.«
    »Sie sind ziemlich einsilbig geworden. Javier. Das ist eines der ersten Anzeichen.«
    »Wofür?«
    »Dass ich mein Gefühl für Timing nicht verloren habe«, sagte Guzmán. »Was glauben Sie, was das kollektive Unbewusste ist?«
    »Ich bin nicht in der Stimmung, Virgilio.«
    »Wo habe ich das nur schon mal gehört?«
    »Zu Hause im Bett«, rief Ramírez von draußen.
    »Los, probieren Sie’s, Javier.«
    »Sie können mich mit Ihrem Geplauder nicht einlullen«, sagte Falcón und schob gleichzeitig einen Zettel über den Tisch, auf den er 22 Uhr geschrieben hatte.
    »Wissen Sie, warum ich aus Madrid weggegangen bin?«, sagte Guzmán, ohne den Zettel zu beachten. »Ich wurde dazu gedrängt. Wenn Sie die Leute fragen, warum, wird man Ihnen sagen, dass ich angefangen hatte, in einem Spiegelkabinett zu leben, weil ich paranoid wurde. Aber in Wirklichkeit hat man mich dazu gedrängt, weil ich ein Eiferer war. Ich war das Schlimmste überhaupt geworden – ein Journalist mit Emotionen.«
    »Bei der Polizei lassen wir das auch nicht zu, sonst… würden wir alle zusammenbrechen.«
    »Eine unheilbare Krankheit«, sagte Guzmán. »Das weiß ich jetzt, denn wenn ich lese, was Velasco in der Venda Sexy so alles getrieben hat, stoße ich wieder auf dieselbe Ader heißer weißer Wut. Seine Opfer nicht nur zu quälen, sondern sie mit seiner eigenen abscheulichen Verderbtheit zu füllen. Und als Nächstes denke ich unwillkürlich, so war Pinochet. So hat Pinochet von den Menschen gedacht. Und warum war er da? Weil Kissinger und Nixon ihn da haben wollten. Sie hatten lieber jemanden, der Elektroschocks an Genitalien, Vergewaltigungen von Frauen und den Missbrauch von Kindern förderte… als was? Als einen pummeligen, bebrillten kleinen Marxisten, der den Reichen das Leben schwer machen würde. Sehen Sie, das ist mein Problem, Javier. Ich bin zu dem geworden, wovor meine Chefs mich immer gewarnt haben – mein eigener schlimmster Feind. Man darf keine Gefühle haben, man darf nur die Tatsachen berichten. Aber diese Gefühle fördern auch meinen Instinkt, und der hat mich bisher noch nie im Stich gelassen. Denn ich weiß, dass die Wut, die ich empfunden habe, als ich von Miguel Velascos Spezialität erfahren habe, mich hierher geführt hat, weil sie will, dass ich den Fuß dazwischen habe, wenn die Tür dieser Vertuschung zugeschlagen wird.«
    Guzmán schnappte sich den Zettel, schob lautstark den Stuhl nach hinten und stürmte hinaus.
    Ramírez tauchte im Türrahmen auf und sah Guzmán nach.
    »Er wird sich noch irgendwas antun, wenn er so weitermacht«, sagte Ramírez. »Hat er Recht?«
    »Hast du mich mit irgendwas zurückkommen sehen?«, fragte Falcón und breitete seine Hände aus.
    »Lobo ist ein guter Mann«, sagte Ramírez und wies mit einem wulstigen Finger auf Falcón. »Er wird uns nicht enttäuschen.«
    »Lobo ist ein guter Mann in einer gewissen Position«, sagte Falcón. »Man wird nicht auf einen solchen Posten befördert, wenn die Leute das nicht wollen. Er spürt den politischen Druck, und im eigenen Haus hat

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