Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
hielten vor einer Ampel. Ein afrikanischer Junge ging in der prallen Sonne ohne Hut zwischen den Wagen auf und ab und verkaufte Zeitungen. Offenbar brauchte Señor Cabello Bewegung, um sich zum Reden überwinden zu können. Die Ampel sprang um.
»Lucía war wie gesagt eine schöne Frau«, setzte er zu einer Geschichte an, die sich seit Jahren in ihm angestaut hatte. »Es gab keinen Mangel an Männern, die sie heiraten wollten… und sie heiratete zuerst einen Mann, dessen Vater bei Córdoba ein großes Gut hatte. Sie lebten in einem Haus auf dem Gut und waren sehr glücklich, doch Lucía wurde einfach nicht schwanger. Sie ließ Tests machen. Man erklärte ihr, dass mit ihr alles in Ordnung war, und riet ihr zu einer künstlichen Befruchtung. Ihr Mann weigerte sich. Lucía glaubte immer, dass er Angst hatte herauszufinden, dass er das Problem hatte. In der Hitze des Augenblicks wurden Dinge gesagt, die nicht rückgängig zu machen waren, und die Ehe wurde geschieden. Lucía kam zurück und lebte bei uns. Sie war mittlerweile achtundzwanzig.
Ich besaß nach wie vor ein paar Ackergrundstücke am Stadtrand von Sevilla. Es waren nicht die größten Brocken, aber zum Teil in strategisch wichtigen Lagen – ohne sie ließen sich bestimmte Gebiete nicht erfolgreich erschließen. Viele Bauunternehmer klopften an meine Tür, und der Hartnäckigste war ein namenloser Mensch, der von Carlos Vázquez vertreten wurde.
Lucía arbeitete damals für die Banco de Bilbao, die jedes Jahr eine caseta auf der Feria de Abril hat. Lucía war eine wunderbare Tänzerin. Sie lebte nur für die Feria und ging jeden Abend hin, jeden Abend. Sie freute sich das ganze Jahr auf diese Zeit. Es war eine Woche, in der sie all ihre Probleme vergessen und sie selbst sein konnte. Dort hat sie ihn kennen gelernt. Er war ein wichtiger Kunde der Bank.«
»Er war zwanzig Jahre älter als sie«, sagte Falcón.
»Ihre eigene Generation hatte sie verpasst. Alle geeigneten Männer waren vergeben, der Rest kam nicht in Frage. Dann interessierte sich plötzlich ein wichtiger Mann für sie. Ihre Vorgesetzten bei der Bank waren froh. Man fing an, sie zur Kenntnis zu nehmen. Sie wurde befördert. Er war bereits wohlhabend. Er hatte seinen Platz in der Welt gefunden. Bei ihm gab es Sicherheit. All das ist sehr verführerisch, wenn man glaubt, dass man sitzen geblieben ist.«
»Was haben Sie davon gehalten?«
»Wir haben ihr gesagt, dass sie sich vergewissern sollte, dass ein Mann dieses Alter noch eine Familie gründen wollte.«
»Waren Sie überrascht, dass er nicht schon einmal verheiratet gewesen war?«
»Aber er war doch schon einmal verheiratet, Inspector Jefe.«
»Ach ja, das hatte ich vergessen, Señor Vázquez hat einen Totenschein erwähnt.«
»Wir wissen nur, dass sie aus Mexico City kam. Vielleicht war sie Mexikanerin, aber sicher sind wir nicht. Wie immer bei Rafael haben wir nur das erfahren, was wir unbedingt wissen mussten.«
»Haben Sie sich keine Sorgen gemacht, dass er wegen einer kriminellen Vergangenheit so zurückhaltend war?«
»Nun, Inspector Jefe, damit sprechen Sie den Punkt an, für den ich mich wirklich schäme. Ich war bereit, seine Zurückhaltung zu übersehen. Damals waren meine finanziellen Verhältnisse nicht so wie heute. Ich hatte Land, aber keine Arbeit. Kapital, aber kein Einkommen. Rafael Vega hat dieses Problem für mich gelöst. Er hat mich zum Partner einer Firma gemacht, die eine große Summe für mehrere meiner Grundstücke zahlte. Finanziert durch die Banco de Bilbao, haben wir Wohnungen gebaut und vermietet. Er hat mich reich gemacht und mir ein Einkommen gegeben. So kommt ein alter Bauer wie ich dazu, in einem Penthouse in El Porvenir zu wohnen.«
»Was hat Señor Vega außer der Hand Ihrer Tochter dafür bekommen?«
»Ein weiteres Grundstück, das ich ihm separat verkauft habe und das für ihn der Schlüssel zu einem großen Neubauprojekt in der Triana war. Und es gab ein zweites Grundstück, das einer seiner Konkurrenten unbedingt haben wollte. Als es in Rafaels Hände fiel, musste er an ihn verkaufen. Deshalb konnte er sich mir gegenüber großzügiger zeigen als irgendein anderer Bauunternehmer.«
»Das heißt, er musste ihre Tochter nicht heiraten?«, fragte Falcón. »Er hat Ihnen schließlich auch so ein lukratives Angebot gemacht.«
»In meinem Herzen bin ich nach wie vor ein Bauer. Ich hätte das Land nur an jemanden verkauft, der bereit war, meine älteste Tochter zu heiraten. Ich bin altmodisch,
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