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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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könnten.«
    Falcón nahm mit Señor Cabello auf der Rückbank Platz, während Ferrera sie durch den vormittäglichen Verkehr steuerte. Der alte Mann legte seine Arbeiterhände in den Schoß und fixierte Ferreras geflochtenen, hoch gesteckten Zopf.
    »Wann haben Sie Lucía zum letzten Mal gesehen?«, fragte Falcón.
    »Wir waren am Sonntag zum Mittagessen dort.«
    »Mit Señor Vega?«
    »Er ist zum Essen nach Hause gekommen. Er war mit seinem neuen Wagen ausgefahren.«
    »Wie ging es Ihrer Tochter?«
    »Ich denke, Sie wissen mittlerweile, dass es ihr nicht gut ging. Es ging ihr schon seit Marios Geburt nicht gut«, sagte er. »Es war nie leicht, sie in diesem Zustand zu sehen, aber dieses Mittagessen war in keiner Weise außergewöhnlich. Es war wie immer.«
    »Ich muss Ihnen einige möglicherweise schmerzliche Fragen stellen«, sagte Falcón. »Sie sind der engste Verwandte, und nur so haben wir die Möglichkeit, die häusliche Situation zwischen Ihrer Tochter und Señor Vega vielleicht etwas besser zu verstehen.«
    »Hat er sie umgebracht?«, fragte Señor Cabello und wandte seinen waidwunden Blick erstmals Falcón zu.
    »Wir wissen es nicht. Die Obduktion sollte Klarheit bringen. Glauben Sie, dass er sie umgebracht haben könnte?«
    »Dieser Mann war zu allem fähig«, sagte Señor Cabello. Es klang nicht dramatisch, sondern wie eine schlichte Feststellung.
    Falcón wartete schweigend.
    »Er war ein kalter Mann«, fuhr Señor Cabello fort, »ein skrupelloser Mann, der niemanden zu nah an sich herangelassen hat. Er hat nie über seine verstorbenen Eltern oder einen anderen Verwandten gesprochen. Er hat meine Tochter nicht geliebt, auch schon vor ihren Problemen nicht, als sie noch eine schöne junge Frau war… als sie… als sie…«
    Bei der Erinnerung schloss Señor Cabello die Augen, und seine Kiefer arbeiteten gegen seinen Kummer an.
    »Ist Ihnen im Verhalten Ihres Schwiegersohnes seit Anfang des Jahres eine Veränderung aufgefallen?«
    »Nur, dass er noch zurückgezogener wirkte als gewöhnlich«, sagte Señor Cabello. »Ganze Mahlzeiten vergingen schweigend.«
    »Haben Sie ihn darauf angesprochen?«
    »Er sagte, es wäre die Arbeit und dass er zu viele Projekte gleichzeitig managen musste. Wir haben ihm nicht geglaubt. Meine Frau war sicher, dass er eine andere Frau hatte und alles schief gegangen war.«
    »Wie kam sie darauf?«
    »Keine Ahnung. Sie ist eine Frau. Sie sieht Dinge, die ich nicht sehe. Sie hat gespürt, dass es ein Problem des Herzens und nicht des Kopfes war.«
    »Gab es konkrete Anzeichen für ihre Vermutung, dass er eine Geliebte hatte?«
    »Er war nicht oft zu Hause bei Lucía. Sie ging zu Bett, bevor er von was auch immer zurückkam, und manchmal war er schon weg, wenn sie morgens aufwachte«, sagte Señor Cabello. »Da war also das und dann die Art, wie er schon immer zu unserer Tochter gewesen ist.«
    »Die Nachbarn meinten, dass Mario ihm offenbar sehr wichtig war.«
    »Das stimmt. Er hat den Jungen sehr geliebt, während Lucía es immer schwieriger fand, mit seiner überschäumenden Energie zurechtzukommen, nachdem diese puta von einer Krankheit von ihrem Kopf Besitz ergriffen hatte«, sagte Cabello. »Nein, ich will gar nicht sagen, dass er durch und durch schlecht war, und auf einen Außenstehenden hätte er ganz bestimmt nicht so gewirkt. Er hatte begriffen, dass man charmant sein muss. Ich habe sein wahres Wesen erst erkannt, als ich enger mit ihm zusammengelebt habe.«
    »Wann war das?«
    »Im Urlaub an der Küste. Dauernde Gesellschaft war ihm unbehaglich. Ich glaube, die Vorstellung von Familie war ihm zuwider.«
    »Wissen Sie, was seinen Eltern zugestoßen ist?«
    »Er hat gesagt, sie wären bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als er neunzehn war.«
    »Da wissen Sie mehr als sein Anwalt.«
    »So etwas würde er Carlos Vázquez nicht erzählen.«
    »Er hat ihm erzählt, dass sein Vater Metzger war«, sagte Falcón. »Und wie er ihn als Kind bestraft hat.«
    »Sie haben den Raum in seinem Haus ja gesehen«, sagte Cabello. »Er hat Carlos Vázquez eine Erklärung genannt. Mir hat er nie erzählt, was sein Vater ihm angetan hat. Er war eben kein normaler Mensch, sondern im tiefsten Herzen argwöhnisch, weil er glaubte, die Menschen wären wie er selbst.«
    »Lucía mochte die Schlachterei nicht?«
    »Das fing erst nach Marios Geburt an. Vorher hatte sie nichts dagegen.«
    »Waren Sie überrascht, dass sie ihn heiraten wollte?«
    »Es war eine schwierige Zeit.«
    Sie

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