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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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und Rafael ist ein traditioneller Mensch. Er kannte den Schlüssel zu meinem Problem. Seine Begegnung mit Lucía war kein Zufall. Es beschämt mich, dass ich zugelassen habe, dass wirtschaftliche Interessen mein Urteil über den Mann trüben. Ich hatte keine Ahnung, wie kalt und brutal er zu ihr sein würde.«
    »War er gewalttätig?«
    »Nie. Wenn er sie geschlagen hätte, wäre das das Ende gewesen«, sagte Cabello. »Er hat sie erniedrigt. Ich meine, er… das ist sehr schwer für mich… er hat seine ehelichen Pflichten nur widerwillig erfüllt. Er hat angedeutet, dass das ihre Schuld wäre, weil sie sich keine Mühe gegeben hätte, attraktiv für ihn zu sein.«
    »Noch eine Frage… Wurde auf dem Totenschein seiner ersten Frau eine Todesursache genannt?«
    »Ein Unfall. Er hat uns erzählt, sie wäre in einem Swimmingpool ertrunken.«
    »Hatte er Kinder aus dieser früheren Ehe?«
    »Er sagte nein. Er sagte, dass er Kinder wollte… deshalb war es seltsam, dass er nicht tun wollte, was nötig war, damit es dazu kommt.«
    »Ist Ihnen irgendetwas über frühere Beziehungen hier in Sevilla bekannt, die er vor seiner Begegnung mit Lucía hatte?«
    »Nein, und Lucía hatte auch nichts gehört.«
    Falcón zog den Plastikbeutel mit dem angesengten Foto des Mädchens aus der Tasche.
    »Erkennen Sie diese Person?«
    Cabello setzte seine Brille auf und schüttelte dann den Kopf.
    »Sie sieht aus wie eine Ausländerin«, meinte er.
    Sie kamen zu dem Instituto in der Avenida Sánchez Pizjuan und parkten auf dem Parkplatz der Klinik. Falcón trieb den Médico Forense auf, der sie in den Raum zur Identifikation der Leichen führte und dort einige Minuten allein ließ. Señor Cabello begann, nervös auf und ab zu laufen, als würde ihm erst jetzt klar, worauf er sich eingelassen hatte – den Anblick seiner toten Tochter auf einer Stahlliege. Der Médico Forense kam zurück und zog die Vorhänge auf. Señor Cabello stolperte ein paar Schritte nach vorn und musste sich an der Scheibe abstützen. Mit den Fingern raufte er sich sein schütteres Haar, als wollte er das unnatürliche Bild aus seinem Schädel zerren. Er nickte und hustete ob der Heftigkeit seiner Gefühle. Falcón zog ihn von der Scheibe weg. Der Médico Forense präsentierte ein Formular, und Señor Cabello setzte seine Unterschrift unter den Tod seiner Tochter.
    Sie traten hinaus in die brutale Hitze und das gleißende Licht, das alle Farben schluckte, sodass die Umrisse der Bäume unscharf waren, die Gebäude mit dem weißen Himmel verschwammen und nur der Staub so aussah, als gehöre er hierher. Señor Cabello war in seinem Anzug geschrumpft, sein schmaler Hals wand sich keuchend in dem zu weiten Kragen, während er hinunterzuschlucken versuchte, was er gerade gesehen hatte. Falcón schüttelte ihm die Hand und geleitete ihn langsam zum Wagen, und Cristina Ferrera brachte den alten Mann zum Eingang des Krankenhauses. Falcón rief Calderón an und verabredete ein Treffen für sieben Uhr, um die Obduktionsberichte zu erörtern.
    Dann kehrte er in die kühle Leichenhalle zurück und setzte sich mit dem Médico Forense in dessen Büro. Die beiden Obduktionsberichte lagen aufgeschlagen auf dem Schreibtisch. Der Arzt paffte eine Ducado, deren Qualm von der Klimaanlage aufgesaugt und nach draußen in die drückende Hitze gespuckt wurde.
    »Lassen Sie uns mit dem leichten Fall anfangen«, sagte der Arzt. »Señora Vega wurde mit einem Kissen erstickt. Sie war vermutlich bewusstlos in Folge eines kräftigen Schlages ins Gesicht, wahrscheinlich mit dem Handballen auf das Kinn, der ihren Kiefer ausgerenkt hat.«
    Der Médico Forense spielte den Schlag unwillkürlich pantomimisch nach, und seine Wange, sein Kiefer und seine Lippen verrutschten seitlich zu einem feuchten Kuss in die Luft.
    »Sehr anschaulich«, sagte Falcón lächelnd.
    »Verzeihung, Inspector Jefe«, sagte er verlegen. »Sie wissen ja, wie das ist. Lange Tage in Gesellschaft von Toten. Die Hitze. Der Urlaub steht vor der Tür. Die Familie ist schon an der Küste. Manchmal vergesse ich, mit wem ich gerade zusammen bin.«
    »Kein Problem, machen Sie weiter. Es ist mir eine Hilfe«, sagte Falcón. »Was ist mit der Todeszeit? Für uns ist es wichtig zu wissen, ob sie vor oder nach Señor Vega gestorben ist.«
    »Da kann ich Ihnen nicht viel weiterhelfen. Beide Todesfälle sind innerhalb einer Stunde passiert. Ihre Körpertemperatur war beinahe identisch. Señora Vega war nur unwesentlich wärmer. Die

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