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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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stata fortunata. «
    Wie bitte? Sonja versuchte zu lächeln, aber es misslang. Nein, nichts war gut, auch wenn nichts Schlimmes passiert war. Ihr zitterten nur die Knie, der Schreck saß ihr in allen Gliedern.
    Die Frau zeigte auf den Rucksack. Den lasse sie am besten zu Hause. Das Geld – kein Portemonnaie, lieber in die Hosentasche stecken. Und – ein Blick auf Sonjas schmale goldene Halskette mit dem Glitzerstein, die Luzie ihr zum Vierzigsten geschenkt hatte: »Lieber keinen Goldschmuck, Signora.«
    Ein versuchter scippo also. Ein paarmal hatten Leute sie vor einem Handtaschenraub vom Moped aus gewarnt und von eigenen schlechten Erlebnissen berichtet. Doch auf all ihren Reisen durch Südeuropa war Sonja noch nie etwas passiert – das verleitete leicht zu der Annahme, man sei aus irgendeinem undurchschaubaren Grund davor gefeit, dachte sie. Nicht auszudenken, wenn es den Kerlen tatsächlich gelungen wäre, den Rucksack zu klauen. Ihr Portemonnaie wäre weg gewesen, ihr Ausweis, ihr Adressbuch, der Pensionsschlüssel und – am allerwichtigsten – das Foto von Luzie.

11
    Gegen halb drei schleppte sie sich, als sei in jeder Treppenstufe ein unsichtbarer Magnet versteckt, die vier Stockwerke zur Pension O sole mio hoch – der Sonne entgegen, dachte sie, um sich aufzumuntern, aber gerade die Mittagshitze verhinderte jede Leichtfüßigkeit, zumal ihr die überdimensionale Pizza bleischwer im Magen lag. Nach dem Überfall war Sonja in einer viel frequentierten Pizzeria gelandet. Die Tische standen dicht an dicht, nur ein einziger Platz war noch frei gewesen und der Lärmpegel gewaltig, doch das hatte sie nicht gestört, im Gegenteil: Sonja hatte sich auf seltsame Weise geschützt gefühlt in diesem Gedränge, als wäre sie ein winziger Teil eines variablen, nie gleichen Puzzles, das sich in jenem Moment zu einem Ort namens Pizzeria zusammenfügte.
    Sie schloss die schwere Wohnungstür auf. Das Halbdunkel, der staubig-muffige Geruch wirkten nicht mehr ganz so befremdlich. Sie wollte gerade in den Flur einbiegen, als sie hinter sich ein Geräusch hörte.
    »Signora …«
    Sonja blieb stehen und drehte sich um.
    Aus einer Türöffnung tauchte die Vermieterin auf, heute im gelben T-Shirt mit schillernden Paillettenschmetterlingen zu gelben Leggings. Sie sah aus wie ein Kanarienvogel in der Mauser, aber sie zwitscherte und flötete nicht. Ihre Stimme klang schrill, misstrauisch.
    »Da hat jemand für Sie angerufen …«
    Sonja runzelte die Stirn. »Für mich?«
    Wer sollte das sein? Außer Lion und Maris wusste niemand, dass sie in Neapel war. Ihr Herz machte einen Sprung – hatte womöglich eines der Mädchen aus der Touristeninformation angerufen? Doch ihre Freude wurde sofort gedämpft.
    »Ein Mann … Er hat seinen Namen nicht genannt.« Mit säuerlicher Miene, als wäre es ein Los mit einer Niete, hielt die Vermieterin Sonja einen Zettel hin. »Ich habe die Nummer notiert.«
    Ein Mann, dachte Sonja grimmig. Daher also wehte die Brise des Unbehagens. Kaum war diese deutsche Signora einen Tag in Neapel, riefen auch schon Männer für sie an … Was für eine Mieterin hatte man sich da nur eingehandelt. Gleich käme der Spruch mit dem verbotenen Männerbesuch.
    Sie warf einen Blick auf den Zettel. 08 1 … Also eine neapolitanische Nummer.
    »Könnte ich vielleicht kurz …?«
    »Das Telefon steht auf dem kleinen Tisch im Fernsehzimmer. Zweite Tür im Gang links. Kostet pro Einheit fünfzig Cent. Nicht dass Sie sich hinterher wundern.«
    Das Telefon war eigentlich ein Monstrum und erinnerte Sonja an den alten schwarzen Telefonapparat in der Wohnung ihrer Großeltern. Der Hörer lag schwer in der Hand wie eine kleine Hantel, die Drehscheibe sperrte sich beim Wählen, als wäre sie schon lange nicht mehr benutzt worden. Sonnenklar, dass die Vermieterin vom Flur aus ihre Ohren spitzen würde. Nur zu, wenn sie nichts Besseres zu tun hatte.
    Es läutete mehrmals, bevor am anderen Ende jemand abnahm. Eine Männerstimme. Sonja erkannte ihn sofort. Commissario Gentilini steuerte ohne Umschweife auf sein Ziel zu und fragte, ob sie Lust und Zeit habe, am Abend mit ihm Pizza essen zu gehen …
    Offenbar war er kein Mann der großen Umwege. Ob er wohl gelegentlich einen Korb bekam? Sonja hatte kein Bedürfnis, ein Exempel zu statuieren, denn sie freute sich über den Anruf. Sie musste ja nicht unbedingt eine Pizza bestellen.
    »Dann hole ich Sie um sieben in der Pension ab.«
    »Nein. Nicht hier.« Sonja hatte keine Lust, in

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