Die Totenfalle
eingesackt, doch was nun passierte, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Da waren die eisigen Hände, die sich seine Füße dafür ausgesucht hatten, um daran in die Höhe zu klettern. Jemand wollte aus dem Grab heraus!
Diese grauenvolle Wahrheit schoß ihm wie eine Flamme durch den Kopf. Sofort dachte er an dieses schreckliche tote Wesen, das einmal eine Geistheilerin gewesen war.
Sie war tot! Sie konnte nicht… Oder doch?
Er glaubte, laut zu schreien, statt dessen drang nur ein Wimmern aus seinem Mund, das einen noch verzweifelteren Klang bekam, als er erleben mußte, wie sich die Erde plötzlich bewegte. Da wanderte etwas nach oben. Es ließ sich einfach nicht aufhalten, es war ein schleimiger widerlicher Tod, der einfach nicht zu begreifen war. Wie kann eine Tote leben? schrie es in ihm.
Dann jedoch entstand das Bild der Geistheilerin vor seinem geistigen Auge. Er sah Tabitha Leroi, sah, daß sie lebte und eingehüllt in wallende Gewänder durch ihre Praxis ging, sich um die Patienten kümmerte und sie anlachte.
O ja, sie hatte alle in ihren Bann gezogen. Sie verfügte über außergewöhnliche Kräfte. Nicht grundlos hatte Anne so von ihr geschwärmt, obwohl sie den Tod seiner Frau nicht hatte verhindern können. Selbst ihr Leiden hatte sie nicht gelindert, es war schlimmer geworden, und Anne hatte nicht mehr leben können. Dieser Frau war alles zuzutrauen, auch das Unwahrscheinliche, daß sie es schaffte, den Tod zu besiegen.
Sie kam.
Er sah die Hände!
Der Magen wollte ihm mit all seiner Flüssigkeit in den Mund steigen. Er spürte einen alten, rauchigen und widerlichen Geschmack, und er war auch kaum in der Lage, Luft zu holen. Was er hier erleben mußte, war das Furchtbarste, was einem Menschen widerfahren konnte. Das war das Grauen pur.
Die Hände schimmerten weiß. Er sah sogar die gelblichen Kratzstellen auf der Haut, aber er sah auch die Erde, die sich an den Klauen und unter spitzen Fingernägeln festgeklemmt hatte. Es waren die Nägel, die den Stoff seiner Hose durchstoßen und seine Haut in Mitleidenschaft gezogen hatten.
Es fühlte sich an, als hätte jemand kalte Messerspitzen dagegen gedrückt.
Sicherlich blute ich schon, dachte er plötzlich. Sein Gedächtnis war mit einemmal wieder klar. Irgend etwas hatte das Grauen fortgewischt. Er konnte denken, und plötzlich beugte er seinen Körper nach unten. Der Gedanke hatte ihn nicht mehr losgelassen. Auch wenn es ihn schüttelte, er mußte die verdammten Klauen anfassen und versuchen, sie von seinen Beinen zu lösen.
Todd faßte zu. Er drehte seine Hände um die Gelenke der Leiche. Allein schon der Gedanke, daß es eine Leiche war, ließ ihn beinahe wieder wahnsinnig werden.
Auch seine Hände waren kalt, noch stärker war die Totenhaut der weiblichen Leiche. Nie zuvor hatte er eine derartige Kälte erlebt, auch wenn er bei Sinnen gewesen wäre, hätte er sie nicht beschreiben können, weil sie einfach anders war und nicht von dieser Welt stammte, so jedenfalls dachte er.
Dann passierte es.
Mit diesem Vorgang hatte er nicht gerechnet, denn er bekam den plötzlichen Ruck voll mit. Daran änderte auch nichts der Griff, mit dem er die anderen Klauen festhielt, eine zweite Kraft schleuderte ihn nach vorn, und diesmal schrie er wirklich auf. Der Schrei erstickte erst, als er mit dem Gesicht auf die weiche Graberde fiel.
Er konnte es nicht überwinden und hatte den Fehler gemacht, den Mund nicht zu schließen. So war die Erde in seinen Mund eingedrungen. Er schmeckte sie und hatte dabei das Gefühl, auf Moder zu kauen und alte Knochen statt Krumen zwischen den Lippen zu spüren. Keine Luft mehr.
Panik erfaßte ihn.
Seine Arme schlugen unwillkürlich umher. Der Nebel bedeckte ihn. Er hörte Stimmen und hatte den Eindruck, von bösen Geistern umwabert zu sein. Er mußte weg, deshalb mußte er sich herumdrehen und vom Grab wegrollen. Es war nicht möglich.
Nur auf die Seite konnte er sich drehen, alles weitere ließen die Totenklauen nicht zu, denn die Leiche im Grab dachte gar nicht daran, ihn aus den Klauen zu lassen.
Sie zerrten an ihm.
Da merkte er, daß er rutschte!
Es war der reine Irrsinn, es war verrückt, aber er rutschte tatsächlich über das Grab hinweg, weil die Hände ihn so zerrten. Er sollte in das Grab hinein!
Diese Vorstellung schockte Todd so sehr, daß er zunächst nicht mehr denken konnte. So etwas wollte ihm nicht in den Sinn. Ein lebendiger Mensch sollte begraben werden, geholt von einem Toten und in dessen
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