Die Totenfalle
uns vorbeigingen, bekamen wir Fetzen ihres Gesprächs mit.
»Du bist es ihr schuldig, Judy, daß wir zu ihrem Grab gehen. Wäre sie nicht gewesen, hättest du nie mehrlaufen können. So kannst du dich noch bewegen.«
»Ja, Mummy.«
Suko und ich schauten uns an. »Ist sie ein Engel oder ein Teufel gewesen?« fragte mein Freund.
Ich hob die Schultern. »Wahrscheinlich beides. Es kam halt immer auf die Situation an.«
»Dann werden wir sie jetzt möglicherweise als Teufel erleben«, sagte Suko.
»Oder als Geist.«
Wir schauten der Familie nach. Das Kind lief zwischen Mutter und Vater, beide hielten es fest. Allein konnte es kaum laufen, und als die Familie das Friedhofstor passiert hatte, da nahm der Vater seine Tochter auf den Arm.
Ich stand da und schluckte. Dieses Bild war mir durch und durch gegangen. Gleichzeitig kam mir ein anderer Gedanke. Wenn alle ehemaligen Patienten dieses Verhältnis zu der Geistheilerin hatten, sah es für uns böse aus. Sie würden Feinde der Tabitha Leroi kaum akzeptieren.
»Und jetzt?« fragte Suko.
»Sehen wir uns auf dem Friedhof mal um.«
Er grinste breit. »Ich liebe Friedhöfe…«
***
»Du bist nicht begeistert, wie?« fragte Lady Sarah, die neben Jane saß und zuschaute, wie die Detektivin lenkte.
Die Angesprochene hob die Schultern. »Was heißt begeistert? Ich weiß es nicht. Meine Beziehung zu dieser Person ist nicht besonders eng gewesen, Sarah.«
»Meine auch nicht!« erklärte die Horror-Oma fast trotzig. »Trotzdem möchte ich einfach hin.«
»Nur ihretwegen?«
»Nicht ganz, Jane. Ich bin auch neugierig. Eines laß dir gesagt sein. Sie war eine außergewöhnliche Person, das habe ich sofort gespürt. Von ihr ging etwas aus, sie strahlte etwas ab, das ich nicht in Worte fassen kann. Jedenfalls war es ungewöhnlich.«
»Nicht unheimlich?« Jane mußte halten, um in die Querstraße einbiegen zu können, die zum Friedhof führte.
»Nun ja, eine gute Frage. Ich weiß nicht so recht, was ich darauf sagen soll. Möglicherweise wäre sie dir ungewöhnlich vorgekommen, du wärst skeptisch gewesen. Dank deiner latenten alten Hexenkräfte hättest du gespürt, daß sie anders ist, daß sie sich auf Dinge verläßt, die einem normalen Menschen suspekt sind – und so weiter…«
Jane mußte lachen. »Hör auf«, sagte sie und startete. »Wir werden ja sehen, wie die Menschen reagieren.«
»Traurig.«
»Warum?«
Lady Sarah hob die Schultern. »Sie alle haben der Frau viel zu verdanken. Sie hat sich um Kinder ebenso gekümmert wie um Frauen und Männer, das weiß ich.«
»Und sie ist dabei steinreich geworden, wie?«
»Das wiederum weiß ich nicht, Jane. Es hat bei ihr keine festen Honorare gegeben, soviel ist mir auch bekannt. Jeder konnte geben, was er wollte. Der eine viel, der andere weniger. Denk daran, was du zu zahlen hast, wenn du einen Arzt privat konsultierst. Da mußt du schon tief in die Tasche greifen.«
»Stimmt.«
Das Gespräch zwischen den beiden Frauen schlief ein. Zudem näherten sie sich immer mehr ihrem Ziel, und sie sahen bereits den schwachen Schatten der Friedhofsmauer und die Kronen der kahlen Bäume.
»Sind wir da?« fragte Jane, als die Scheinwerfer gegen abgestellte Wagen streiften.
»Ja, an der rechten Seite befindet sich der Eingang.«
»Okay.«
Sarah Goldwyn schwieg. Sie schaute zu, wie Jane nach einem Parkplatz suchte. Die Horror-Oma empfand es als schade, daß Jane nicht so direkt auf ihrer Seite stand.
Möglicherweise war es auch besser, wenn einer zumindest einen klaren Blick behielt.
Sie stoppte. Die Scheinwerfer glotzten noch für einen Moment gegen kahles Gestrüpp vor der Mauer, dann verloschen sie, und die anbrechende Dämmerung sowie der immer noch vorhandene Dunst hüllte beide ein, als sie ausstiegen. Sie schauten sich um. Das Tor stand offen, und sie sahen auch, daß sie nicht die einzigen waren, denn jenseits des Tores, schon auf dem Friedhofsgelände, hatten sich einige Besucher zusammengefunden und unterhielten sich flüsternd.
»Die Kerzen hast du?« fragte Jane.
»Ja, sie stecken in meiner rechten Manteltasche. Auch für dich habe ich zwei mitgenommen.«
Die Detektivin winkte ab. »Das wäre nicht nötig gewesen. Ich werde ihr nicht heimleuchten.«
»Es ist nur ein Symbol der Verbundenheit.«
»Ich kenne sie doch nicht, Sarah.«
»Nun ja, du hast recht. Wenn du nicht willst, macht es auch nichts. Jedenfalls freue ich mich darüber, daß du trotzdem an meiner Seite geblieben bist.«
Jane, die größer
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