Die Totenfrau des Herzogs
Dame. Auch wenn sie das damit noch weiter von ihm entfernte, fühlte es sich gut an. Sie war eine Dame, im Herzen die Tochter eines Königs. Er wusste das.
Doch kaum war Bohemund zwischen den Bäumen verschwunden, um an den Waldbränden vorbei seinen Weg nach Limnaia zu finden, stellte die Tochter des Königs Gérards Geduld durch ihren Starrsinn auf eine harte Probe. Sie weigerte sich nämlich, hinter ihm auf dem Pferd zu sitzen, wie sie es bei Bohemund getan hatte, nachdem sie das Warägerdorf hinter sich gelassen und den Entschluss gefasst hatten, ihren Heimweg in zügigem Tempo fortzusetzen. Dabei hatte Bohemunds Pferd einen schweren Kriegssattel getragen, was das Sitzen dahinter sehr unbequem gestaltete. Doch Bohemund hatte keine Widerrede geduldet. Gérards Pferd war nur mit einem dicken Fell ausgerüstet, wie für Diener üblich, auf dem es sich viel angenehmer saß. Sein Hals schwoll vor Ärger an, als sie ablehnend den Kopf schüttelte.
»Ich laufe«, sagte sie und stapfte los. Der Beutel, den sie sich um die Schultern geschlungen hatte, tanzte aufdringlich über ihren Rücken, Tonfläschchen klapperten leise im Takt.
Gérard trieb das Pferd neben sie.
»Was soll das werden?«, fragte er erregt. »Ist dir dieses Pferd nicht gut genug? Muss es für diese verfluchte Reise ein Herzogspferd sein? Oder lieber ein Herzogssohn? Vielleicht gar ein Herzog, edle Dame?« Erbost riss er so am Zügel, dass das Pferd den Kopf herumwarf und ihn beinah heruntergebockt hätte. »Bin ich dir nicht gut genug?«
Er verstummte. Dumme Frage, weil die Antwort doch seit langem auf der Hand lag. Nein, natürlich war er ihr nicht gut genug. Die Ewigkeit dieser Tatsachen, die Unabänderlichkeit von Blut und Rang! Ihr verdammter Hochmut! Niederträchtig wehte der Wind dicke Schwaden von Brandgeruch zu ihnen herüber. Und sie hatte nicht einmal aufgeblickt. Er runzelte die Stirn. Vielleicht hatte das auch andere Gründe, sie war ja keins dieser ewig plappernden Weiber …
»Ima …?« Sie zog die Nase hoch. Er beugte sich vor, doch in ihr Gesicht konnte er nicht schauen. Weinte sie etwa? »Ima, sei doch vernünftig …« Dann sah er ihre gespreizte Hand, die ihn auf Abstand hielt. »Ach, Mädchen, liebes Mädchen«, seufzte er leise. Ihre Schritte waren wie Tropfen auf den ausgedörrten Boden, doch zu weit für ihn entfernt.
Alles ersticke. Mensch, Tier - Liebe. Alles brenne nieder. Wälder, Waräger - Herzen. Der Brand in den Herzen loderte …
Die Feuer waren immer noch in der Nähe - höchste Zeit, sich nach Süden zu wenden, das Ambrakische Meer zu suchen und sicher an seinen Ufern nach Kephalonia zu reisen, wo der tote Herzog Ima hoffentlich auf andere Gedanken brachte und sie beide vielleicht voneinander trennen würde. Ja, vielleicht wäre das am besten. Eine Trennung, in Gottes Namen. Eine Trennung? Närrischer Gedanke, er war doch ihretwegen den weiten Weg gereist, hatte ihretwegen
seine Stellung daheim in Salerno aufs Spiel gesetzt - nur ihretwegen. Er starb vor Sehnsucht nach ihr, und sie schaute nicht einmal hoch. Sie stapfte vorwärts, stur wie eine Eselin, auf deren Rücken ganze Bündel von Haselruten zerbrachen. Sofort hasste er sich für den bösen Vergleich. Aber stur war sie dennoch, verflucht noch mal. So stur.
Flüchtig dachte er daran, welche Erleichterung wohl ein kühles Bad im Meer schenken würde. Dem Körper, dem vermaledeiten, schwachen Körper - und dem Geist. Unfug. Den Brand, den sie einst selbst gelegt hatte, konnte nichts löschen - nichts.
»Ima …«
»Ich laufe.«
Im schaukelnden Pass schwebte das Pferd neben ihr her. Für eine Frau hielt sie ein zügiges Tempo durch, und nur sein unglaublicher Ärger hinderte Gérard daran, abzusteigen und ebenfalls zu laufen. Vielleicht hätte er dann auch eine Dummheit begangen, er war sich nicht sicher, er starb ja fast vor Verlangen nach ihr. Nein, der Platz auf dem Pferd war gut, für den Moment. Und alle Gefahren hatte er von hier aus im Blick. Er sah die Raubkatze im Baum sitzen und auch den wilden Hund im Gestrüpp, er bemerkte zwischen niedrig hängenden Ästen gespannte Spinnennetze, die sie hinwegwischte, und Kriechtiere, die sich vor der Gefahr im Unterholz in Sicherheit brachten. Mit gezogenem Dolch ritt er auf den schmalen Pfaden hinter ihr her, jederzeit bereit, sich wilden Tieren und Angreifern in den Weg zu werfen.
Ima jedoch benötigte seine Hilfe überhaupt nicht - ihr leichter Schritt schien dem Boden Frieden zu predigen, dass jede
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