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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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feindliche Kreatur noch in der Deckung sich trollte. Und es war auch viel zu heiß, um anzugreifen - selbst die Netze der giftigen Spinnen glänzten leer in der Sonne. Sie liegen alle auf den Knien vor ihr, dachte Gérard, als die
Sonne zwischen den Bäumen aufblitzte, für ein paar Schritte ihr blondes Haar in ein Nest aus Gold verwandelte und gierig die funkelnden Finger nach dem Schatz ausstreckte. Sofort schämte er sich für den albernen Gedanken. Sein Herz zuckte und störte sein Denken wie eine falsche Stimme den Chorgesang.
    Ihr gemeinsamer Weg führte auf dornengesäumten Pfaden über die staubige Erde Makedoniens zu einem Flüsschen. Ima durchquerte es, ohne eine Furt zu suchen, machte sich nicht einmal die Mühe, ihr Kleid hochzuheben. Leicht auf den Wogen schwimmend, zog der Saum erst durchs Wasser, dann durch den feuchten Staub des Ufers, und Gérard beobachtete fassungslos, wie die Nässe im Stoff hochkroch und der Saum vom Schmutz immer schwerer und dunkler wurde, ohne dass sie es beachtete. Von einer Dornenranke festgehalten, riss der Stoff schließlich entzwei. Ima verlangsamte ihren Schritt nicht, obwohl nun zwei schmutzbeladene Rockteile wie schwere Lasten hinter ihr herschleiften und alte Blätter und Erdklumpen mitrissen.
    »Glaubst du, dass Gott diese Buße annehmen will?«, fragte er, nachdem sie einen weiteren Hügel erklommen hatten und sie tatsächlich schwer atmend kurz innehielt. »Glaubst du, dass du dich dadurch von deinem verdammten Hochmut reinwaschen kannst?«
    Sie wandte ihm das Gesicht zu. Seine Wut verrauchte sofort angesichts ihrer erschöpften Züge, und nur der sture, abwehrende Blick hielt ihn davon ab, vom Pferd zu steigen.
    »Glaubst du, dass eine Dirne sich reinwaschen kann?«
    Und ohne eine Antwort abzuwarten, setzte sie ihre Wanderung fort, gebeugter und schleppender als zuvor, und ihr Beutel tanzte längst nicht mehr so lebendig auf ihrem Rücken. Je weiter sie sich von des Herzogs Sohn entfernte, desto geknechteter wirkte sie.

     
    Es dauerte tatsächlich eine geraume Weile, bis Gérard den Inhalt ihrer Worte verstanden hatte. Nein, er war nicht der Schnellste, wenn es um Worte ging - erst recht nicht, wenn es Weiberworte waren. Mit dem Schwert - nun, da machte ihm niemand etwas vor. Selten jedenfalls. Wenn der Gegner nicht gerade ein mordlustiger Berserker aus Thule war. Er rieb sich die schmerzende Schulter, die er sich nicht hatte versorgen lassen wollen und die ihn, wenn sie zu eitern begann, vielleicht tötete.
    Aber für Worte war er nicht schnell genug … Ima war hinter der nächsten Kurve verschwunden.
    Sie hatte sich selbst eine Dirne genannt.
    Er nahm sich Zeit, darüber nachzudenken, bevor er noch mehr Fehler beging. Und - verflucht noch mal - das Denken fiel ihm immer noch schwerer, wenn es sich um Ima drehte. Heftig riss er an seinen Barthaaren. Sie war doch keine Dirne. Sie war die Tochter eines Königs, eines Edelmannes - sie war keine Dirne. Er hatte ihren Vater kennengelernt, das passte doch alles nicht zusammen. Sie war keine Dirne. Ein ganzes Büschel Haare hing jetzt zwischen seinen Fingern. Wie er es auch drehte und wendete, er kam nicht darauf, was so furchtbar sein sollte, dass sie sich nun kasteite und erniedrigte.
    Und so tat er das, was er am besten konnte: Er trieb sein Pferd an und galoppierte hinter ihr her, mit Krieg im Herzen - der passende Gegner dazu würde sich schon noch finden. Man fand immer einen Gegner, wenn man Streit suchte. Ima hatte die Hügelkette überwunden und kletterte den Abhang hinab, von wo aus man das Ambrakische Meer sehen konnte. Bundicia war nicht mehr weit, vielleicht noch vor der Dunkelheit zu erreichen. Um sie nicht zu erschrecken, parierte er das Pferd in einen weichen Pass durch, und als es sie erreicht hatte, hängte er sich, wie in mancher Schlacht, seitlich vom Pferd herunter, umschlang
mit dem Arm ihre Hüften, zog sie mit einem energischen Ruck vom Boden und warf sie vor sich aufs Pferd. Ihr Arm traf im Flug sein Gesicht, dann schlug sie wortlos und umso erbitterter um sich. Gérard packte ihre Arme und presste sie an sich. Mit den Beinen trieb er das Pferd in den Galopp, um ihr über das Tempo die dummen Gedanken und die Schlägerei auszutreiben.
    Dicke Staubwolken wirbelten hinter ihnen auf, während das Pferd, Geröll und Äste mit sich reißend, den Abhang hinabraste - ein falscher Tritt, und sie würden sich alle drei den Hals brechen, nur wegen seiner Wut. Doch kein Ton der Angst war von ihr zu

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