Die Totenfrau des Herzogs
buschigen Brauen zuckten so unternehmungslustig, dass sogar der Bart wackelte.
»Das kannst du wohl selbst, wenn du dir das Messer nimmst, schönes Kind«, dröhnte er. Wortlos streckte sie die Hand aus. Als kein Messer zum Vorschein kam, verstand sie, dass der Mann etwas anderes im Sinn führte. Hier galten keine Regeln, hier machte allein Örn Nábitr die Regeln, und nach dem verlorenen Spiel würde sie niemand mehr schützen. Sie kniff die Lippen zusammen. Die Sprache des Stolzes verstanden diese Männer schon, denn als sie sich wortlos abwandte, statt sich das Messer von seinem Gürtel zu holen, worauf er wohl spekuliert hatte, zuckte seine Braue erneut, doch diesmal mit anderem Vorzeichen. »Völva« , murmelte jemand, Männer traten zurück. »Túnriða« , raunte ein anderer. Auch gemurmelte Flüche waren zu hören, doch nicht zu laut, man wusste ja nie.
Ima spürte eine unerträgliche Last auf ihren Schultern. Obwohl ihr dummes Herz nach dem Mann mit dem toten Kaninchen auf der Brust schrie, lenkte sie ihre Schritte an ihm vorbei und auf den Grafen zu, der reglos am Boden lag und kaum mehr zu atmen schien und für den sie sich überhaupt erst in diese Gefahr begeben hatte. Sie vermeinte ihren Namen zu hören, als ihr Gewand Gérards Füße streifte, kurz über ihnen verharrte und sie liebkosend verließ. Wie flüssiger Honig breitete er sich in ihrem Ohr aus, auch als sie weiterging. Er hatte sie gerufen.
Bei Bohemund angekommen, drehte sie sich noch einmal um und fixierte den Waräger.
»Zwei Pferde«, sagte sie mit fester Stimme. »Zwei Pferde, Waffen - und Wegzehrung.«
Örn schwieg. Sein Gesicht hatte sich zu einer finsteren Maske verzogen, vermutlich hatte er sie keinen Moment aus den Augen gelassen, immer noch voller Gier und nun auch Zorn, weil er sie verloren hatte. Sie spürte den Zorn stärker als die Gier, und sie wusste, dass die Zeit drängte. Wie lange würde er noch zu seiner Zusage stehen?
»Zwei Pferde«, wiederholte sie leise.
»Ich halte mein Wort, Ima Heillahandi .«
Es hatte Imas ganze Kunst gekostet, Bohemund ins Leben zurückzuholen. Die Sonne wäre um ein Haar schneller gewesen und hätte ihn, geschwächt, wie er ohnehin schon war, mit ihrer heißen Umarmung getötet. Löffel für Löffel hatte Ima ihm Wasser mit einem Hauch Theriak in Honig verabreicht und ihn dann unter dem Hohn der Umstehenden mit oleum rosaceum eingerieben, welches Trota auch als Mittel gegen Sonnenbrand empfahl. Es wirkte nicht nur gegen den Brand, sondern auch gegen das Fieber, durch das die Sonne den Kranken verzehrte.
Seine Brandwunden betupfte sie mit im Feuer erwärmtem Met und umwickelte sie mit zerrissenen Leinenbinden, damit ihn Hemd und Kettenhemd nicht scheuerten, denn die würde er für den langen, gefährlichen Weg, der vor ihm lag, tragen müssen. Wenn er es aufs Pferd schaffte. Er musste. Schweigend betrachtete Bohemund ihr Tun. Sein Blick war voller Dankbarkeit. Er war offensichtlich wach genug, um zu wissen, dass ein Wort von ihm sie alle das Leben kosten würde.
»Alles wird gut«, wisperte sie in seiner Muttersprache, ein kleines Lächeln wagend.
Gérard war weniger vorsichtig. Mit Entsetzen sah sie, wie er den Mann, der ihm die Fesseln durchschnitt, danach
mit einem gezielten Schlag niederstreckte und ihm dann noch das tote Kaninchen und einen schrecklichen Fluch hinterherschickte. Dann ließ er die Knöchel knacken, wie immer, bevor er zum nächsten Hieb ansetzte. Sie hasste dieses Geräusch.
»Würdet Ihr wohl …« Aufgeregt warf sie sich seiner Faust in den Weg. »Würdet Ihr wohl helfen …« Und als die ungewohnte Anrede nicht reichte, weil sein Zorn keine Grenzen kannte und die Gelenke weiter unflätig knackten, trat sie noch einen Schritt näher, bis ihre Brust die seine berührte. »Würdet Ihr wohl helfen - jetzt … hier …« Sein Blick überschüttete sie mit Zorn und machte sie hilflos, sie wollte gar nicht länger darin lesen, weil der Dummkopf sie doch nur alle in Gefahr brachte, durch seine verdammte Unbedachtheit ihrer aller Leben aufs Neue riskierte, nachdem sie ihres für ihn aufs Spiel gesetzt hatte …
»Würdet Ihr wohl jetzt helfen - mon seignur …«
Als Antwort kam ein Zähneknirschen. Obwohl Örn sie weiterhin beobachtete wie ein Luchs, wagte sie es, Gérard die Hand auf den Arm zu legen - das half endlich. Brüsk wandte er sich ab, als ertrüge er die ganze Posse nicht mehr. Offenbar hielt nur ihr Wunsch ihn davon ab, noch mehr Männer
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