Die Totenfrau des Herzogs
zusammenzuschlagen. Ihr Wunsch schützte wohl auch Örn Nábitr davor, hinterrücks ein Messer zwischen die Rippen zu bekommen, als er beim Abschied - den Adler immer noch an der Leine - auf Ima zutrat und es wagte, mit seiner Hand ihre Wange zu umfassen, wie ein Liebhaber. Gérard hantierte heftig mit den Proviantbeuteln und dem Seil, das über dem Hals des Pferdes lag, damit man es unterwegs anbinden konnte. Er krallte seine Hände in das Sattelblatt, als der Waräger zu sprechen begann.
»Ihr hättet meine Königin werden können. Ihr könntet es noch werden. Ich würde Euch Byzanz zu Füßen legen.«
»Byzanz gehört Euch nicht«, erwiderte Ima leise. »Ihr könnt nur verschenken, was Euch gehört, Örn.«
»Ihr habt mir auch ein großes Geschenk gemacht, Normannin …« Die Stimme drohte zu kippen vor Ergriffenheit.
»Da irrt Ihr«, lächelte sie unvermittelt. »Mein Körper gehört einem anderen. Und Gott wird mir den Rest hoffentlich irgendwann vergeben.« Anmutig neigte sie den Kopf und drehte sich dann eine Spur zu heftig um. Dann legte sie die Hand auf Gérards Arm, damit der ihr in den Sattel half und aus dem Weg geräumt war. Doch kein Zorn folgte ihr, der Waräger blieb ein gerechter Verlierer.
»Mit Eurem Gott habe ich nichts zu schaffen. Und Ihr solltet Euch auch nicht auf ihn verlassen. Es war trotzdem ein schönes Geschäft, was wir miteinander hatten, Normannin«, lächelte er.
Gérard fühlte, wie sich ohnmächtige Wut in seinem Körper ausbreitete. Von den Fußspitzen wanderte der Brand quer durch den Bauch über die Brust und brachte seinen Kopf schier zum Platzen. Die Rechte hielt bereits den Schwertknauf umfasst - weil man sie ja auf ihren Wunsch hin bewaffnet ziehen ließ -, als sich eine schmale Hand warnend auf seine Schulter legte, und zwar so, dass sie ihn oberhalb des Kettenhemdes am Hals berührte. Diese Berührung war so voller Vertrautheit, dass er darunter fast zusammenbrach und seine Wut sich nach innen richtete, bis ihm übel davon wurde.
Des Warägers Lachen wurde breiter, als er Imas Hand wandern sah. In seinem Gesicht zuckte es noch grässlicher als sonst, und gut gelaunt trat er einen Schritt auf Gérard zu.
»Ein sehr schönes Geschäft!«, rief er aus und hieb ihm kameradschaftlich die Pranke auf die Schulter. »Vielleicht habt Ihr ja genauso viel Glück, Mann! Lasst Euch den Rat geben …«
Gérard zog das Messer aus dem Gürtel. Blinde Eifersucht verzerrte sein Gesicht, und er hob die Faust.
Ima reagierte blitzschnell. Sie packte das Seil vom Pferdehals und warf es um den Brustkorb des Normannen. Mit Macht trat sie ihrem Pferd die Hacken in die Seiten, dass es einen Satz machte und Bohemunds Pferd mit anstachelte. Gérard verlor, im Seil hängend, das Gleichgewicht und brüllte auf. In seiner Wut warf er beinah das Pferd um. Und dann begann Örn zu lachen. Er lachte so laut, dass die Hütten ein Echo zurückwarfen. Er schüttete sich aus vor Lachen über den strauchelnden Normannen und steckte seine Männer damit an.
Ima parierte das Pferd durch. Gérard schwang sich hinter sie auf die Kruppe, und dann spülte sie ein halsbrecherischer Galopp aus dem Warägerlager, bevor jemand auf den Gedanken kommen konnte, doch noch irgendwelche Rechnungen zu begleichen und die Waffe zu ziehen.
ZEHNTES KAPITEL
Wäre ich mit des Geliebten Lippen vereint, so sänge ich auch wie die Flöte.
Denn wer getrennt ist von dem, der seine Sprache spricht, der wird bald verstummen, auch wenn er hundert Lieder hätte.
(Rumi)
I hr hättet ein drittes Pferd verlangen sollen, Ima - warum habt Ihr das nicht getan?«
Bohemund stieg aus dem Sattel, ein wenig mühevoll zwar, doch er hatte sich trotz des scharfen Ritts offenbar von den Strapazen der Gefangenschaft erholen können. Seiner herzoglichen Haltung hatten auch die letzten Tage nichts anhaben können, ging es Ima durch den Kopf. Und das nicht nur, weil er eine gute Konstitution besaß. Es war eine besondere Art von Adel, die ihn so stark wirken ließ. Doch der wahre Herrscher Apuliens konnte die Würde niemals erhalten, dafür hatten Sicaildis und ihr Sohn schon gesorgt. Bohemund würde weiterhin auf der Hut sein müssen und wäre gut beraten, wenn er sich in den Gebieten, die sein verstorbener Vater ihm hinterlassen hatte, seine Verbündeten und Freunde besonders sorgfältig aussuchte. Jeder wusste, wie lang Sicaildis’ Arm war und wie tief ihr Hass auf Roberts geliebten Erstgeborenen brannte.
»Macht Euch keine Sorgen
Weitere Kostenlose Bücher