Die Totenfrau des Herzogs
Alberada, die Köchin des Hauses, deren grimmiges Gesicht eher an einen Jagdhund erinnerte. Gérard fand dieses Weib entsetzlich und hatte sich auch schon vor ihr gefürchtet, und damit stand er nicht allein. Man überlegte gut, ob man sein Begehr noch vortragen wollte, wenn Alberada die Tür öffnete. Doch Trotas Gatte schätzte gutes Essen, Trota wiederum hasste das Kochen - Alberada beseitigte diesen Missstand zur größten Zufriedenheit aller und sorgte nebenher für
Ordnung und Sauberkeit in dem großen Haushalt. Dafür musste man eben ihre schlechte Laune und ihr ewiges Gekeife ertragen.
»Ihr«, brummte sie stirnrunzelnd, und ein Abgrund an Geringschätzung gähnte in diesem einen Wort. Wilder Ärger durchfuhr ihn, dass er auch dieses Mal nicht willkommen war. Nichts hatte sich geändert, verflucht. Gar nichts.
Die Köchin hob das bärtige Kinn. »Was wollt Ihr?«
»Ist die Dame Ima …«
»Sie ist nicht hier.« Trota war vor die Köchin getreten, mit vor der Brust verschränkten Armen, und Alberada blieb hinter ihr stehen, um den Eingang noch ein wenig nachdrücklicher für den Ritter des Guiscard zu versperren. »Sie ist nicht hier, Ihr könnt wieder gehen.«
»Sie ist nicht hier? Wo ist sie dann?« Sein Kiefer knirschte, bei der nächsten Bemerkung in diesem Tonfall würde er sich nicht mehr in der Gewalt haben - er mochte diese hochnäsige alte Frau einfach nicht. Das jedoch beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Trota kniff nämlich die Augen zusammen und spitzte die Lippen.
»Ima ist heute Morgen in aller Frühe abgereist.«
»Abgereist?« Fassungslos sanken seine Schultern herab, es fühlte sich an, als ob sich ein ganzer Felsbrocken in seinen Nacken legte und ihn zu Boden drückte. Abgereist! Die Ärztin nickte, und fast hatte es den Anschein, als kostete sie sein Entsetzen aus. Aber nur fast.
»Sie wurde zu einem Patienten gerufen, mon seignur . Ihr wisst sehr gut, welcher Berufung Ima nachgeht …« Sie hob ihre immer noch schwarzen Brauen bedeutungsvoll. »Ihr wisst, weswegen man Ima bis hinauf in die Residenz hoch achtet. Gott hat diesen Weg für sie ausgesucht …«
»Aber wo ist sie denn hin, verdammt noch mal?«, brach es aus ihm heraus. »Wo ist sie hingeritten, sagt es mir!«
Die Ärztin schien sich zu besinnen, vielleicht spürte sie,
wie echt seine Verzweiflung war. »Ich bin nicht befugt, Euch zu sagen, wohin man sie mitgenommen hat und wer ihr Patient ist, mon seignur . Fasst Euch in Geduld und wartet auf ihre Rückkehr.« Sie trat einen Schritt auf ihn zu, und ihr linkes Auge wurde eine Spur kleiner als das rechte. »Immerhin tut Ima seit einem Jahr nichts anders, als zu warten. Und sie tut das voller Hingabe, das kann ich Euch versichern, denn ich erlebe sie tagtäglich. Übt Euch in dieser Geduld, Ritter des Guiscard. Nicht jede Schlacht gewinnt man mit dem Schwert.« Und dann zwinkerte das Auge. »Daran denkt, wenn Euch die Ungeduld überschäumen lässt. Die wichtigsten Schlachten im Leben gewinnt man mit Geduld. Habt einen sonnigen Tag, Gérard de Hauteville.«
Damit schloss sie die Tür vor seiner Nase, dahinter hörte man die Köchin kurz auflachen. Gérards Blut kochte trotz ihrer ruhigen Schlussworte über, Geduld war das Allerletzte, was er aufbringen konnte, wenn sein Herz raste. Er ließ den Zügel seines Hengstes fahren und zog mit beiden Händen sein Schwert. Krachend knallte die Scheide gegen das massive Türholz und hinterließ eine hässliche Kerbe.
»Sagt mir, wo sie ist!«, brüllte er und holte erneut aus. »Sagt mir, verflucht noch mal, wo sie ist!« Dann hielt er inne und lauschte ungläubig. Das Lachen war verklungen - die Frauen waren gegangen. Trota von Salerno hatte ihn einfach stehen lassen, was noch viel schlimmer war, als hämische Worte aus ihrem Mund zu vernehmen. »Ima!«
Erbost trat er mit dem Fuß gegen die Tür. Drinnen rührte sich nichts. Er war allein mit seinem Zorn und seiner ohnmächtigen Enttäuschung, mit dem Zwitschern der Vögel, seinem Hengst und zwei Bettlern an der Hauswand, die zwar spöttisch grinsten, angesichts seiner gezogenen Waffe jedoch lieber das Maul hielten. Der Zorn flaute ein wenig ab, hinterließ brennenden Schmerz in seiner Brust. Der Schmerz breitete sich aus, sodass er kaum noch Luft bekam
- fort, Ima war fort? Sie war abgereist - wie konnte das denn sein? Hatte sie ihm nicht versprochen, da zu sein, wenn er zurückkam?
»Und wenn du Schrammen mitbringst, mach ich sie dir wieder glatt, jede einzelne«, hatte sie
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