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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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schlug in froher Erwartung. In aller Frühe war er von Noceria losgeritten, wo sein neues Haus nun ein fertiges Dach bekommen hatte und einen Tisch, an dem man essen konnte, ein Bett, in dem er schon geschlafen hatte. Ein Bett, in welchem auch ein Weib und Kinder Platz haben würden - darauf hatte er geachtet, als er es zusammengezimmert hatte. Die Matratze war nicht mit Stroh gefüllt, sondern mit den Haaren der Pferde aus der Residenz - die Pferdejungen hatten sie gegen ein paar Kupfermünzen für ihn gesammelt. Ein solches Bett bedeutete Luxus, und er war stolz, es zu besitzen.
    Der alte Diener hatte ihm am Abend einen Krug Wein in die Kammer gebracht und ihm zur ersten Nacht in seinem neuen Besitztum gratuliert. Sein erster eigener Besitz! Imas Vater hatte ihm, bevor er Apulien vergangenes Jahr den Rücken gekehrt hatte, die Pfründe der Casa di Oliva verschafft, damit er, der mittellose Ritter, zumindest über einen Grundstock verfügte, um ein Weib ernähren zu können. In diesem Fall seine Tochter - Ima. Die Casa war nichts Besonderes, ein verfallenes Gut oben in den Bergen von Noceria, wo sich bereits Vögel im Dach eingenistet hatten und wilde Katzen in den Winkeln wohnten. Doch auf der Urkunde
stand nun sein Name, und voller Tatendrang hatte Gérard sich in die Arbeit gestürzt, hatte das marode Dach abgerissen, den Schmutz von den Wänden gekratzt und Unrat aus den Ecken gekehrt.
    Ein langwieriges Unterfangen, denn immer wieder war er auch für Wochen und Monate unterwegs gewesen. Mit Roger Borsa in Palermo, in der Seeschlacht von Kassiopi, in Kephalonia, von dort nach Bari … ihm schwirrte der Kopf davon, wo er die letzten Monate überall gewesen war. Er hatte schließlich die Arbeit an dem Haus abbrechen und den Zimmermann wegschicken müssen. Seine Sehnsucht hatte vor allem von der süßen Erinnerung an sie gelebt und von der Vorstellung, wie ihre Gegenwart das alte Haus erstrahlen lassen würde. Was sie wohl dazu sagen würde, dass es da ein Haus gab, mit Land für genug Vieh, um sie beide zu ernähren und ihnen mit Dienstboten ein angenehmes Leben zu ermöglichen? Er bebte innerlich, wenn er sich ausmalte, was sie wohl sagen würde. Er hatte ihr ja nie von dem Haus erzählt, es hatte eine Überraschung werden sollen. Oft hatte er sich in den Kriegslagern, wenn ihn nachts der Schlaf floh, ihr Gesicht vorgestellt, wenn er sie den Berg hinaufbringen würde, sie auf dem Platz mit dem alten Olivenbaum vom Pferd heben und ihr die Augenbinde abnehmen würde …
    Er schüttelte den Kopf, um die Träume zu vertreiben. Sie hatten ihn durch die anstrengenden Monate auf See und durch die Ungewissheit, ob er die Kämpfe überleben würde, hindurchgerettet, und sie hatten das Winterfieber von ihm ferngehalten, weil er innerlich ja bereits brannte. Doch nun wollte er ihr von den Plänen erzählen - wenigstens erzählen, und ein wenig die Zukunft ausmalen. Erst einmal war ja nur das Dach gedeckt, frische Binsen waren auf den Boden gestreut, Schüsseln warteten in der Truhe, es gab eine saubere Feuerstelle, und auf dem Lager lagen
zwei dicke, frisch gegerbte Bärenfelle. Ein Anfang, immerhin. Sie war sicher von zu Hause aus Feineres gewohnt, er hatte sie oft vom Hof des Eroberers berichten hören. Sein Heim würde bescheidener ausfallen, doch er war jetzt in der Lage, Dienstvolk zu bezahlen, Ima würde sich nicht schämen müssen. Gérard seufzte und versuchte die Zweifel zu vertreiben, die ihn immer wieder überfielen, wenn er an Ima von Lindisfarne dachte.
    Vielleicht hatte er Glück und erwischte sie in einem Moment der Ruhe, um zu berichten und zusammen mit ihr zu träumen. Vielleicht … würde sie ja doch jetzt schon mit ihm dort hingehen wollen ….
    »Vielleicht«, flüsterte er und wagte, erwartungsvolle Freude zuzulassen über etwas, was vor Monaten noch vollkommen unmöglich erschienen war: Ima als seine Angetraute heimzuführen. Ihr Vater hatte ihm die Erlaubnis erteilt, bevor er Salerno verlassen hatte.
    Versonnen starrte er in die Wipfel des Apfelbaums, während sein Hengst sich, die Gunst der Stunde nutzend, über weitere Äpfel hermachte. Spielerisch sandte die Spätsommersonne ihre Strahlen durch das Blattwerk und strich ihm mit warmen Fingern über das bloße Haupt. Kinder spielten im Schatten, warfen sich Bälle zu. Vor dem Haus der Ärztin standen Kübel mit blühendem Geranium - tiefrot. Gérard nahm es als gutes Zeichen. Rot war die Farbe der Freude.
    Auf sein nachdrückliches Pochen öffnete

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