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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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er aus. Dann schrieb er in derselben Form, derselben Größe und Schrift einen neuen Auftrag, indem er darum bat, zweimal 12 500 Euro per Blitzüberweisung auf sein Konto bei der Banca Toscana zu schicken. Diese Datei druckte er aus und klebte Magdas Unterschrift darunter. Er war unsicher, ob man die aufgeklebte Unterschrift auf der Datei nach dem Scannen erkennen
konnte. Sicherheitshalber druckte er den Scan aus und war beinah euphorisch, als wirklich in keinster Weise zu sehen war, dass die Unterschrift aufgeklebt war.
    Mit ein paar freundlichen Worten schickte er schließlich den Überweisungsauftrag per Mail an Herrn Weise bei Magdas Bank und bemühte sich, auch die Mail genauso zu gestalten, wie Magda es normalerweise tat. In der Ablage der elektronischen Post hatte er sich die Mails, die Magda an ihre Bank geschickt hatte, genau angesehen.
    Jetzt konnte er nur noch warten und musste sich für Magda eine Geschichte ausdenken, warum er 25 000 Euro vom Konto abgehoben hatte. Aber dazu hatte er noch ein bisschen Zeit, es würde mindestens eine Woche vergehen, bis der nachgeschickte Kontoauszug in Italien ankam. Und überhaupt: In ihren Augen war er ihr Mann, sie hatten ein gemeinsames Konto, und er musste nun wirklich keine Rechenschaft darüber ablegen, wofür er sein Geld ausgab.
    Erleichtert, dass ihm der erste Schritt gelungen war, lehnte er sich zurück und gähnte laut. Dabei fiel ihm ein, dass er schon die ganze Zeit vorgehabt hatte, sich die Titelmelodie des »Paten« als Klingelton auf sein Handy zu laden. Er suchte sich die Musik aus dem Internet, und während sie heruntergeladen wurde, öffnete er die Schreibtischschublade. Darin lag ein Brief, und als er die Adresse las, erstarrte er.
    Thorben Tillmann stand auf dem Umschlag. Kolleg St. Blasien, Fürstabt-Gerbert-Str. 14, 79837 St. Blasien .
    Lukas riss den Umschlag auf, faltete den Brief auseinander und begann zu lesen.

    Liebster Thorben,
    vorgestern haben Papa und ich einen wunderschönen Ausflug zur Abbazia di Monte Oliveto Maggiore gemacht. Vielleicht hast Du ja schon mal davon gehört. Es ist eins der ältesten und berühmtesten Klöster Italiens. Es war sehr interessant und ein herrlicher Tag, und immer wenn ich in einem Kloster bin, denke ich an Dich, weil Dein Alltag im Internat ja vielleicht doch ein klein wenig Ähnlichkeit mit dem Leben in einem Kloster hat. Den Rosenkranz hab ich Dir gekauft, weil ich weiß, dass Du heimlich Rosenkränze sammelst. Du kannst ihn ja verstecken, wenn Du Dich vor den andern genierst, oder alles auf Deine Mutter schieben, die eben einen eigentümlichen Geschmack hat.
    Übrigens habe ich vor ein paar Tagen Giovanni in Ambra getroffen. Er hat jetzt Ferien und gefragt, wann Du kommst. Ich hab gesagt, wahrscheinlich schon in einer Woche. Er freut sich.
    Und wir erst, Thorben! Es ist schon verdammt hart, dass wir uns nur in den Ferien sehen. Aber die paar Tage kriegen wir jetzt auch noch rum.
    Bitte schreibe mir doch noch, um wie viel Uhr genau Du in Arezzo ankommst, damit wir Dich abholen können.
    Pass auf Dich auf und fühl Dich umarmt und geküsst
    von Deiner Mama.
    Papa lässt Dich auch ganz ganz herzlich grüßen!!!
     
     
    Lukas war schweißgebadet. Er las den Brief noch einmal, faltete ihn zusammen und steckte ihn in seine Hosentasche.
    Jetzt sah er sich etwas genauer und unter ganz neuen Vorzeichen im Arbeitszimmer um. Sein Blick fiel auf ein Foto im Regal. Thorben, als er ungefähr zehn war, beim Angeln mit Johannes. Beide hielten ihre Angel und sahen
aufs Wasser, aber dennoch strahlte das Bild eine tiefe Verbundenheit zwischen Vater und Sohn aus.
    Lukas ging zum Regal und nahm das Bild in die Hand. Dabei fiel ihm eine hellblaue Kiste auf, die hinter dem Bild stand und die man auf den ersten Blick nicht sehen konnte. Er öffnete die Kiste.
    Darin waren mehrere Briefe. Alle adressiert an Thorben, aber niemals abgeschickt.
     
    Thorben war ein süßer Junge gewesen. Ein zartes Kind mit großen dunklen Augen und Magda wie aus dem Gesicht geschnitten. Schmächtig und immer ein wenig zu dünn und zu klein für sein Alter. »Das stört mich überhaupt nicht«, sagte Johannes oft. »Wenn ich eins auf den Tod nicht ausstehen kann, dann sind das fette Kinder.«
    Aber Thorben störte es. Immer war er der Letzte, der beim Völkerball in die Mannschaft gewählt, und der Erste, der dann im Spiel abgeschossen wurde. Max dagegen war der Größte der Klasse, ein Berg von einem Kind und zwanzig Kilo schwerer als Thorben.

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