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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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überlegte Carolina und stand auf. Jetzt oder nie.
    Sie schob die Maschine neben sich her, während sie den steinigen Weg bis zum Haus ging.
    Die Kette am Grundstückseingang war nicht abgeschlossen. Carolina klinkte sie einfach auf und ließ sie auf den Boden fallen. Der Rest des Weges bis zum Haus war mit der Maschine anstrengend, aber Carolina wollte auf gar
keinen Fall für die paar Meter den Motor einschalten und Magda auf den Plan rufen. Lieber völlig überraschend vor ihr stehen und in ihre Augen sehen.
    Ungefähr zwanzig Meter vor dem Haus bockte Carolina die Maschine auf und ging bis zur Tür. Im Garten war niemand zu sehen.
    Die Haustür stand offen. Nur ein Perlenvorhang verwehrte den Blick ins Innere des Hauses. Carolina nahm allen Mut zusammen und rief:
    »Hallo! Ist da jemand?«
    Sie musste ihr Rufen zweimal wiederholen, bis Magda in der Tür erschien. In der Hand ein Küchenpapier, mit dem sie sich die Hände abtrocknete.
    »Ja?«, fragte sie. Nicht besonders freundlich, aber auch keineswegs feindselig. Eher desinteressiert.
    »Entschuldigen Sie, dass ich hier einfach so hereinplatze«, begann Carolina zögerlich, und sie merkte, dass ihre Stimme leicht zitterte. »Mein Name ist Carolina Hammacher.« Dass Magda zusammenzuckte, entging ihr nicht. »Ich bin zufällig, das heißt beruflich, für ein paar Tage in der Gegend und habe von Ihrem Mann gehört, dass er hier ein wunderschönes Anwesen hat.« Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, als würde sie sich umsehen. »Es ist ein Traum. Wirklich. Ich möchte Sie nicht stören, aber könnte ich Ihren Mann vielleicht einen Moment sprechen?«
    In ihrer Fantasie hatte sich Magda bestimmt schon hundertmal vorgestellt, wie die Frau aussah, die Johannes geliebt hatte. Und jetzt stand sie leibhaftig vor ihr. Die, die er in Berlin regelmäßig getroffen hatte, war plötzlich hier in Italien. Eine Frau, von der sie gedacht hatte, dass sie nie wieder in ihren Gedanken, Träumen oder in der Realität auftauchen würde. Carolina war ihm also nachgereist bis in
die Toskana, nach La Roccia, ihrem versteckten Nest, ihrer geheimen Burg, wo sie keinen Beruf und keine Verpflichtungen hatten, keine Affären und keine Vergangenheit.
    Carolina hatte den Kokon durchstoßen.
    »Nein. Sie können ihn nicht sprechen.«
    »Warum nicht?«
    »Er ist beschäftigt.«
    »Das ist kein Problem. Ich hab Zeit und kann ruhig eine Weile warten.«
    »Was wollen Sie denn von ihm?« Magdas Miene war vollkommen versteinert.
    »Ich habe ihn lange nicht gesehen und wollte ihn eigentlich nur etwas fragen. Und vielleicht einen Kaffee mit ihm trinken. Wie gesagt, ich bin zufällig in der Gegend, und da wäre es doch schade, wenn man sich nicht kurz sieht.«
    Es war also doch nicht vorbei. Sie würde nicht lockerlassen. Wie ein Krake, der mit einem Arm losließ, aber nur, um mit einem anderen sein Opfer noch fester zu umschlingen und mit in die Tiefe zu ziehen.
    »Warum haben Sie nicht vorher angerufen?«
    »Ich hab es probiert, aber das Handy war nie eingeschaltet.«
    In diesem Moment kam Lukas um die Hausecke.
    »Besuch für dich aus Deutschland«, sagte Magda kalt.
    Lukas war überrascht, aber er lächelte freundlich und reichte Carolina die Hand. »Guten Tag.«
    »Ich wollte eigentlich Johannes Tillmann sprechen«, sagte Carolina.
    Magda wandte sich ab und ging ohne ein weiteres Wort ins Haus.
    »Kommen Sie«, meinte Lukas, »machen wir einen kleinen Spaziergang.«

    Sie gingen den Weg hinunter.
    »Ich bin Carolina Hammacher und zufällig hier in der Gegend. Und bei dieser Gelegenheit wollte ich Johannes besuchen. Ich nehme an, Sie sind sein Bruder?«
    »Ja. Ich bin sein Bruder.« Er sah sie an. »Wir haben vor einiger Zeit telefoniert. Erinnern Sie sich?«
    »Natürlich erinnere ich mich. Sie sagten, dass Johannes weg ist. Wo ist er?«
    Lukas blieb stehen. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Er ist wie vom Erdboden verschwunden.«
    »Immer noch?«
    »Ja. Immer noch.«
    »Und Sie haben nichts mehr von ihm gehört? Gar nichts?«
    Lukas schüttelte stumm den Kopf, und Carolinas Herz krampfte sich zusammen. Trotz der Hitze fröstelte sie.
    »So etwas gibt es nicht!«
    »Doch.«
    Carolina hörte die Resignation in Lukas’ Tonfall. »Wie heißen Sie?«
    »Lukas.«
    Sie vertraute diesem Lukas nicht und hatte das Gefühl, dass er log. Vorhin hatte er Magda noch geküsst, und es war mehr gewesen als nur ein ganz normaler Begrüßungskuss zwischen Schwager und Schwägerin. Und jetzt

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