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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Johannes ihr einmal aus Mailand mitgebracht hatte, und fing an zu schreiben.
    Liebster Schatz, schrieb sie, heute regnet es ununterbrochen. Schon in der Nacht wurden wir davon wach, dass der Regen aufs Dach und gegen die Fensterscheiben trommelte. Das ist zwar zu dieser Jahreszeit vollkommen ungewöhnlich, aber es tut der Natur ungeheuer gut. Du wirst sehen, wie schön grün alles ist, wenn Du kommst. Sogar zwischen den Oliven blühen die Wiesenblumen. Auf den Wegen stehen die Pfützen, was für die Wild- und Stachelschweine, die Rehe und Füchse und was sonst alles noch im Wald lebt, ein Fest sein muss …

    Magda hielt einen Moment inne, denn sie hörte die Stimmen von Johannes und Carolina, die den Weg heraufkamen.
     
    Carolina nahm ihren Helm vom Lenker und gab Lukas die Hand. »Vielen Dank. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie so offen waren. Danke.«
    »Ich hoffe, dass wir bald etwas von Johannes hören«, sagte er.
    »Das hoffe ich auch«, meinte sie und wusste, dass es unmöglich war.
    »Kommen Sie gut nach Hause!«
    Carolina lächelte. »Das werde ich. Bitte grüßen Sie Magda von mir. Ciao.«
    »Ach«, sagte Lukas plötzlich, »könnten Sie mich vielleicht ein Stück mitnehmen? Sie fahren doch Richtung Castelnuovo Berardenga. Wenn Sie mich bei der Villa d’Arceno am Abzweig nach San Gusmè absetzen, kann ich einen wundervollen Spaziergang nach Hause machen.«
    »Steigen Sie auf«, meinte Carolina lächelnd. »Wir fahren auch nur durch den Wald, da brauchen Sie keinen Helm.«
     
    Magda sah vom Küchenfenster aus, wie Carolina ihren Helm aufsetzte, unter dem Kinn verschloss, ihre Handschuhe überstreifte und die Maschine vom Ständer hob.
    Und fast im selben Moment, in dem Carolina die Maschine startete, schwang sich Lukas auf den Sozius. Carolina gab Gas, und die Maschine mit Lukas auf dem Rücksitz fuhr den Berg hinunter bis zu dem Abzweig nach Solata.
     
    Magda war wie von Sinnen vor Angst. Sie suchte panisch ihre Autoschlüssel, fand sie neben dem Brotkorb, stürzte
aus dem Haus, sprang ins Auto, startete den Motor und jagte den beiden hupend und mit aufgeblendeten Scheinwerfern hinterher.
     
    In einer Linkskurve sah Lukas Magdas Wagen, der sie mit Lichthupe verfolgte. Er drückte Carolinas Schulter und bat sie anzuhalten.
    Als sie stand, nahm sie den Helm ab und sah Lukas fragend an.
    »Magda will irgendetwas. Sie ist uns gefolgt. Fahren Sie allein weiter, ich will sehen, was los ist.«
    Carolina nickte, setzte sich den Helm wieder auf, hob grüßend die Hand und brauste los.
    Sekunden später stand Magda neben ihm, umarmte ihn und drückte ihn fest an sich.
    »Verlass mich nicht«, flüsterte sie, »bitte, bitte verlass mich nicht.«
    Lukas streichelte ihren Rücken und blickte ins Tal. Ihre Ängste konnte er nicht nachvollziehen. So einen Ausbruch durfte es einfach nicht geben, nur wenn er mal ein paar Meter auf einem Motorrad mitfahren wollte, um anschließend einen Spaziergang zu machen.
    Magdas Kopf lag an seiner Schulter, und sie hielt ihn umklammert, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.
    Er sah Carolina die kurvige Straße hinunterfahren. Aber sie fuhr nicht - sie raste. Legte sich mit einem Tempo in die Kurven, dass ihm schwindlig wurde. Und er wurde nervös. Irgendetwas stimmte nicht.
     
    Es war ein Albtraum.
    Vor der Haarnadelkurve versuchte sie zu bremsen. Sie trat auf die Fußbremse, doch sie trat ins Leere. Carolina
wurde heiß. Auch die Handbremse am Lenker war labbrig und bot keinerlei Widerstand. Panik saß ihr im Nacken. Die erste Kurve schaffte sie noch und auch die zweite, obwohl das Motorrad auf der abschüssigen Strecke viel zu schnell an Fahrt gewann. Bei der dritten Kurve konnte selbst eine routinierte und geübte Fahrerin wie Carolina nichts mehr machen. Sie verlor die Gewalt über die Maschine, schleuderte und flog durch die Luft.
    Johannes, dachte sie noch, komm und hilf mir. Bring mich ins Krankenhaus und halte meine Hand.
    Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
     
    Zwei Sekunden vorher wusste er, dass es geschehen würde. Er sah das Motorrad in einer Rechtskurve wegrutschen, Carolina löste sich aus dem Sattel, überschlug sich in der Luft, schleuderte über die Straße und knallte gegen einen Baum. Das Motorrad stürzte den Abhang hinunter.
    Magda war schon beim Auto. »Kommst du?«, rief sie.
    »Neeeeiiiin«, schrie Lukas. Sein Mund stand vor Entsetzen weit offen. »Sie ist verunglückt! Magda, sie hatte einen Unfall!«
    Er starrte auf die Straße, als könne er das,

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