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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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überwachen ließen, war sehr gering. Beinah ausgeschlossen. Niemand war auf La Roccia, guckte in die Klärgrube oder buddelte auf dem Grundstück herum. Niemand.
    Aber dann fiel ihm Topo wieder ein, der die Leiche gefunden, und Massimo, der aus einer Laune heraus den Garten umgegraben hatte. Wie auch immer. Und was einmal geschehen war, konnte jederzeit wieder passieren.
    Die Stewardess verschwand einen Moment in einem Raum hinter dem Schalter. Lukas überlegte, ob er lieber die Flucht ergreifen und das Flughafengebäude verlassen sollte, aber dann blieb er stehen. Wie angewurzelt. Wartete auf seine Hinrichtung.
    Nach einer halben Minute kam die Stewardess wieder, machte einen Kringel um das Abfluggate, lächelte und wünschte ihm einen guten Flug.
    Das war die erste Hürde, dachte Lukas, aber noch war er nicht in der Luft und in Sicherheit.
    Als er seine Bordkarte in die Jacketttasche gesteckt hatte, umarmte er Magda zum Abschied. Sie schmiegte sich an ihn.
    »Komm bald wieder«, murmelte sie, »komm heil wieder, pass auf dich auf und vergiss mich nicht.«

    »All das verspreche ich dir.« Er küsste sie. »Und sei nicht traurig.«
    Sie nickte und lächelte unter Tränen.
    Dann schlang sie ihre Arme um ihn, hauchte ihm einen Kuss auf den Hals, riss sich los und rannte durch die Halle bis zum Ausgang. In der Tür blieb sie noch einmal stehen, drehte sich um, winkte und verschwand.
    Lukas trank in der Bar einen Kaffee und überlegte, ob er gleich zum Gate gehen oder lieber noch etwas warten sollte. Im Grunde war es egal, aber dabei wurde ihm wieder bewusst, dass er seine Sorglosigkeit wahrscheinlich für immer verloren hatte. Von nun an würde er sein Leben lang auf der Flucht sein und sich vor der Entdeckung fürchten.
    Akribisch untersuchte er sein Handgepäck, ob auch wirklich nichts darin war, was in irgendeiner Weise beanstandet werden und die Aufmerksamkeit auf ihn lenken könnte. Er fand nichts. Es war alles in Ordnung.
    Unbehelligt durchlief er anschließend auch die Kontrolle und fühlte sich wesentlich wohler, als er am Flugsteig sitzen und das Schild mit der Aufschrift »Berlin-Tegel, Abflugzeit: 13.05 Uhr« fixieren konnte.
    Normalerweise war Lukas ein Mensch mit Flugangst. Er überließ sein Leben nicht gern einer Maschine und einem Menschen, von dem er nicht wusste, wie viel Erfahrung er hatte und wie er sich an diesem Tag fühlte. Bei Start und Landung hörte er jedes Mal Geräusche, die er für einen Motorschaden hielt, und in der Luft beim Flug über den Wolken erschien ihm nicht die Freiheit, sondern die Unfreiheit grenzenlos. Denn er war auf Gedeih und Verderb dem Schicksal dieses Flugzeugs ausgeliefert.
    Aber diesmal war das anders. Er hatte Italien verlassen und konnte sich zum ersten Mal entspannen. Der Flug erschien
ihm harmlos gegenüber den Problemen, die auf der Erde auf ihn warteten. Auch waren ein Absturz und ein schneller Tod plötzlich gar nicht mehr die schlimmste Alternative.
    Aber der Flieger stürzte nicht ab, sondern landete zwei Stunden später sicher und problemlos in Berlin-Tegel.
    Lukas nahm sich eine Taxe und fuhr direkt zu seinen Eltern. Das Gespräch mit ihnen schien ihm das Allerwichtigste zu sein. Da er es wie einen Berg vor Augen hatte, wollte er es gleich als Erstes hinter sich bringen.

67
    Innerlich war er zwar darauf vorbereitet, aber dann erschrak er doch, als er seine Mutter sah. Sie war abgemagert, tiefe neue Falten hatten sich in ihr Gesicht geprägt, und ihre Augen waren trübe und ohne Glanz. Ihre Haare wirkten strohig und ungepflegt, als sei sie schon lange nicht mehr beim Friseur gewesen.
    Das ist nicht mehr meine kluge, elegante, weltgewandte Mutter, schoss es Lukas durch den Kopf, das ist ein Wrack. Sie sieht aus, als habe sie die letzten Wochen unter einer Brücke verbracht.
    Er schloss sie in die Arme.
    »Junge«, schluchzte sie, »du bist hier. Wenigstens dich hab ich noch. Wenigstens dich.«
    Gemeinsam betraten sie die Wohnung. Richard stand im Flur in der offenen Wohnzimmertür und reichte Lukas schweigend die Hand. Dann zog er ihn an sich und klopfte ihm leicht auf die Schulter. »Gut, dass du gekommen bist«, flüsterte er.
    Auch sein Vater schien sehr gealtert.
    Dieser Besuch verlief anders als alle anderen zuvor. Sein Vater öffnete ihm schweigend ein Bier, reichte ihm Flasche und Glas, und seine Mutter saß mit gefalteten Händen auf der Couch und fixierte ihren Sohn.

    »Erzähl«, sagte sie. »Ich will alles wissen.«
    Lukas holte tief Luft. »Ich

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