Die Totengräberin - Roman
aus dem Haus kam.
»Als ich den Hörer abnahm, hatte der Anrufer aufgelegt«, sagte sie. »Aber wenn es Johannes war, probiert er es sicher noch mal.«
Dr. Nienburg stellte die leere Tasse auf den Tisch und
stand auf. »Der Kaffee war ganz ausgezeichnet, Frau Tillmann, aber jetzt muss ich wirklich los. Vielleicht komme ich ja bei Gelegenheit wieder. Vielen Dank für alles.«
Sie gab Magda die Hand, griff ihre Handtasche und ging zu ihrem Auto. Als sie den Wagen startete, hoffte sie, dass sie nicht zu schnell gelaufen und Magda misstrauisch gemacht hatte.
Im Rückspiegel sah sie, dass Magda eine Sonnenbrille aufsetzte und ihr hinterherschaute.
79
Die zentrale Bar eines Ortes war Kontaktbörse für alles, das wusste sie, seit sie einmal auf Sardinien Urlaub gemacht hatte. Daher fragte sie in der Bar della Piazza nach einer Person, die sowohl Deutsch als auch Italienisch sprach und ihr beim Dolmetschen helfen könnte. Man gab ihr die Adresse und Telefonnummer von Katharina.
Mechthild Nienburg fuhr direkt nach Rapale.
Katharina arbeitete an einem Bild, fühlte sich durch den überraschenden Besuch aber überhaupt nicht gestört und begrüßte die Therapeutin so herzlich, als würde sie sie schon seit Jahren kennen.
»Was kann ich denn für Sie tun?«, fragte sie.
»Es geht um Signora Tillmann«, begann Dr. Nienburg vorsichtig. »Und es geht auch um ihren verschwundenen Mann. Ich habe eine Entdeckung gemacht und möchte Sie bitten, mich zur Polizei zu begleiten. Ich kann den Carabinieri mit meinen nicht vorhandenen Italienischkenntnissen nicht erklären, was ich ihnen erklären muss.«
Katharina schien erfreut. »Magda Tillmann ist eine sehr gute Bekannte von mir. Beinah eine Freundin. Darum helfe ich Ihnen natürlich gern. Aber ich dachte, ihr Mann wäre wieder da?«
»Nein. Ihr Schwager war zu Besuch. Vielleicht ist dadurch
das Gerücht entstanden, ihr Mann wäre aus Rom zurück.«
»Das kann sein. Aber was ist denn passiert? Ich meine, was für eine Entdeckung haben Sie denn gemacht?«
»Kann ich Ihnen das im Auto erklären? Ich hab’s eilig, und wir sollten jetzt wirklich sofort zur Polizei fahren.«
Frau Dr. Nienburg erzählte Katharina im Auto alles, was sie wusste. Und sie verschwieg auch nicht den unheimlichen Klingelton, der aus der Erde kam.
Katharina hörte sich das alles an, fuhr auf der engen kurvigen Straße zügig nach Ambra und unterbrach Dr. Nienburg nicht ein einziges Mal. Erst als sie geendet hatte, sagte sie tonlos: »Ich kann das nicht glauben.«
»Ich auch nicht. Aber wichtig ist jetzt, dass Sie dies alles ganz genau so und detailliert der Polizei schildern. Können Sie das?«
»Natürlich. Italienisch ist genauso meine Muttersprache wie Deutsch. Aber das Ganze kommt mir vor wie ein böser Traum.«
Neri begrüßte die beiden Frauen äußerst zuvorkommend, bat sie, in der Amtsstube Platz zu nehmen und ihr Problem zu schildern.
Katharina war aufgeregt, und ihre Augen glänzten fiebrig, als sie Neri die ganze Geschichte erzählte.
Neri wurde schwindlig und ihm fiel siedend heiß ein, dass er die Identität des angeblich wieder aufgetauchten Mannes nicht überprüft hatte. Signore Tillmann war auch nie erschienen, um seinen Führerschein nachzureichen, den er bei der Verkehrskontrolle nicht dabeigehabt hatte.
»Es geht darum, dass beide Brüder, Johannes und Lukas
Tillmann, vermisst werden. Signora Nienburg vermutet, dass sie auf dem Grundstück im Gemüsegarten vergraben sind. Warum, haben Sie ja eben gehört. Sie müssen etwas unternehmen, und zwar sofort«, erklärte Katharina.
»Ich kümmere mich darum«, meinte Neri ausweichend.
Katharina übersetzte den Satz.
»Nein, kümmern ist nicht genug«, sagte Dr. Nienburg auf Deutsch, und ihr Ton wurde schärfer. »Durchsuchen Sie das Haus, graben Sie das Grundstück um. Sprechen Sie mit der Frau. Vielleicht haben wir es mit einer mehrfachen Mörderin zu tun. Ich weiß nicht, was, aber es muss etwas geschehen.«
In diesem Moment betrat Alfonso den Raum. »Was gibt’s?«, fragte er.
Neri schilderte ihm den Sachverhalt in wenigen Worten. Alfonso runzelte die Stirn.
»Wir werden der Sache nachgehen, Signora«, sagte er ernst. »Das verspreche ich Ihnen.«
»Wann?«
»Sofort.«
»Ja. Das ist gut. Und das ist auch unbedingt notwendig. Damit die Signora keine Gelegenheit hat, sich noch schnell nach Deutschland abzusetzen.«
Frau Dr. Nienburg und Katharina verließen das Büro.
Neri sah seinen Kollegen an. »Was
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