Die Totengräberin - Roman
gefunden?«
»Magda, wer ist Carolina?« Er rieb sich seine brennenden Augen. Daher sah er nicht, wie Magda kurz zusammenzuckte.
»Keine Ahnung. Vielleicht eine Kundin?« Magda versuchte, gelassen und desinteressiert zu klingen.
»Ich hab sie heute Morgen angerufen.«
Magda hielt die Luft an und drehte sich dann ganz langsam zu ihm um.
»Warum das denn? Ich meine, warum rufst du eine wildfremde Frau an?«
»Nur so. Weil mir ihr Name in seinem Notizbuch auffiel. Ich dachte, vielleicht kann sie helfen. Vielleicht weiß sie, wo er ist.«
»Und?«
»Sie war nicht gerade gut auf ihn zu sprechen.«
»Es gibt einige Kunden, die nicht gut auf eine Umzugsfirma zu sprechen sind, wenn sie merken, dass die Jungs nicht hexen können.«
»Ganz ehrlich, Magda …. Hatte diese Carolina ein Verhältnis mit Johannes?«
Magda lachte. »Ich bitte dich. Du kennst deinen Bruder wohl überhaupt nicht! Er ist ein unglaublich charmanter, freundlicher, kommunikativer Mensch, der mit jedem sofort ins Gespräch kommt und zu jedem sofort einen Draht hat. Darum kennt er auch Gott und die Welt. Aber er betrügt mich nicht, Lukas.« Sie wurde ganz ernst. »Er hat mich noch nie betrogen.« Und dann fügte sie leise hinzu: »Wenn einer den andern betrügt, ist das Leben zu Ende.«
23
Am nächsten Morgen war der Fuchs wieder da. Als sie um halb neun auf die Terrasse kam, saß er neben den Rosen und sah sie an. In der Schnauze hatte er einen ledernen Arbeitshandschuh, den sie über Nacht draußen liegen gelassen hatte.
»Füchslein«, flüsterte Magda, »da bist du ja wieder! Warte einen Moment, dann hol ich dir was zu fressen.«
Magda ging in die Küche, und der Fuchs schlich quer über den Rasen und legte sich neben einen Terrakottatopf. Offensichtlich war er völlig angstfrei.
Als Magda wenige Minuten später mit einer Handvoll Hundetrockenfutter, das sie noch von ihrem letzten Aufenthalt im Küchenschrank hatte, wiederkam, saß er immer noch da. Sie legte das Futter mitten auf den Rasen und zog sich dann vorsichtig rückwärts gehend zurück.
Vom Tisch aus beobachtete sie den Fuchs. Schon bei ihrem letzten Italienaufenthalt über Weihnachten war er beinah regelmäßig gekommen und hatte sich sein Futter abgeholt. Anscheinend brauchte er immer ein paar Tage, um zu merken, dass das Haus wieder bewohnt war.
Jetzt musst du nur noch Lukas kennenlernen, dachte Magda, dann ist die Familie komplett.
Lukas schlief noch. Als der Fuchs gefressen und sich wieder zurückgezogen hatte, holte Magda ihr Briefpapier.
Mein lieber Schatz,
stell Dir vor, Füchslein ist wieder da! Er hat es also nicht vergessen, dass wir uns Weihnachten um ihn gekümmert haben. Ich bin richtig glücklich darüber, er entwickelt sich schon fast zu einem richtigen Haustier. Vielleicht schaffe ich es ja in diesen Sommerferien, dass er sich sogar streicheln lässt. Erinnerst Du Dich noch, dass er Deinen Turnschuh geklaut hat und wir ihn erst eine Woche später im kleinen Maronenwäldchen wiedergefunden haben? Ich glaube, ich muss mir wieder angewöhnen, nachts nichts auf der Terrasse liegen zu lassen, sonst ist es am nächsten Morgen weg.
Ich werde mal zum Tierarzt in Montevarchi fahren und Entwurmungstabletten kaufen. Die mische ich ihm ins Futter. Denn der Fuchsbandwurm ist ja ziemlich gefährlich. Da kann man dran sterben, und das macht mir große Angst.
Papa hat jetzt fast die ganze Woche im Garten gearbeitet und ist schon richtig braun geworden. Jeden Tag sagt er mir, wie sehr Du ihm fehlst und wie sehr er sich darauf freut, wenn Ihr gemeinsam den toten Baum vor dem Badezimmerfenster fällen könnt. Das schafft er allein nicht.
Wie geht es Dir? Hast Du Dich in Deinem neuen Zimmer und mit Deinen neuen Zimmergenossen gut eingelebt? Wie kommst Du mit Latein zurecht? Hast Du jemanden gefunden, der Dir Nachhilfe geben und ein bisschen helfen kann?
Ich denke viel an Dich. Versuche doch, ein bisschen mehr zu essen, Du bist so spindeldürre, das ist ja schon fast beängstigend.
Wirst Du eigentlich gleich zu Beginn Deiner Sommerferien kommen? Das wäre schön, so hätten wir noch zwei Wochen hier in Italien und könnten dann zusammen nach Berlin fahren. Ich freu mich schon so unsagbar auf Dich!!!
Ich umarme Dich, mein Süßer.
Deine Mama
Sie faltete den Brief gerade in dem Moment zusammen, als Lukas auf die Terrasse kam.
»Guten Morgen«, sagte er lächelnd und küsste Magda auf die Wange. »Ich mach mir einen Kaffee. Dir auch
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